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Rette sich wer kann

Eine Kampagne der Telekom mit US-Superstar Billie Eilish als Botschafterin zum Thema Mediennutzung der Generation Z im Smartphone-Zeitalter lässt die Schattenseiten der Digitalisierung außer Acht

Kennt die Tücken von Smartphones und Mobbing: Billie Eilish Foto: Vincent Haycock

von Marielle Kreienborg

Dass die Generation Z, die zwischen 1995 und 2010 geborenen Jahrgänge, viel Zeit mit ihren Smartphones verbringt, steht außer Frage. Interessanter ist doch: Worauf verwendet sie diese Zeit? Darauf, die Welt zu verändern, postuliert die Telekom in ihrer neuen, europaweiten Kampagne #whatwedonext, die pünktlich zum „International Youth Day“ der Vereinten Nationen ihren Aufruf zu mehr „Digitalem Optimismus“ gestartet hat.

Keine geringere als die fünffache Grammy-Preisträgerin, die kalifornische Sängerin Billie Eilish, posiert als Gesicht der Kampagne. Eilish, Jahrgang 2001 und Ikone der Generation Z, zählt zu den Shootingstars des vergangenen Jahres: Ihrem Instagram-Account folgen fast 70 Millionen User, die exakt dem Nutzerprofil entsprechen, das die Telekom anvisiert – jung, international vernetzt, digital versiert.

Unter dem Hashtag #whatwedonext fordert der Großkonzern Leute der Generation Z dazu auf, mit ihren Ideen und Projekten auf seiner digitalen „Bühne“ aufzutreten. Zur Höhe des Budgets macht die Telekom keine Angaben. Obgleich es sich um eine europaweite Werbeaktion handelt, spielt die Wahl des Kampagnengesichts dem Unternehmen auch global in die Karten: Nach der Fusion von T-Mobile mit Sprint stellt die USA für die Telekom einen bedeutsamen Markt dar.

Der 18-jährige US-Superstar verkörpert die angestrebte digitale Aufbruchstimmung: Eilish zählt zu den „High-Performern“ einer jungen Generation, die mit ihren Mobiltelefonen nicht nur zu zocken, sondern vielmehr die Algorithmen der Zeit effizient zu bespielen weiß. Während vorangegangene Generationen den Sprung zum Smartphone erst hätten bewältigen müssen, um nun mit der rasanten Digitalisierung Schritt zu halten, sei die Generation Z mit Technologie und ihren scheinbar unendlichen Möglichkeiten aufgewachsen. Ein Ass im Ärmel, das es auszuspielen gelte: Gerade im Bereich der Bildung, aber auch der generellen autonomen Informationsbeschaffung wisse die Generation Z um den Nutzen der Technik, heißt es in der passend zur Kampagne durchgeführten Studie „Gen-Z und Digitalisierung“, die die Telekom beim Marktforschungsunternehmen Kantar in Auftrag gegeben hat.

Inwiefern digitale Netzwerke letztlich imstande sind, auch die Welt außerhalb des Internets konkret zu verändern, erläutern Kampagne und Studie nicht. Im dazugehörigen Kampagnenfilm fungiert Eilish als Sprachrohr: „Schaut uns an, wir sind doch nur Kids, hängen über unseren Bildschirmen, alle für sich. Woher sollte eine Generation, die online lebt, etwas über die echte Welt wissen?“, kolportiert sie gängige Klischees gegenüber den „Digital Natives“.

Doch, behauptet Eilish, wenn es ihrer Generation wirklich wichtig sei, könne sie genau jetzt den entscheidenden Unterschied machen. Immerhin, erinnert die 21-jährige UN-Jugendbotschafterin Jahkini Bisselink, die ebenfalls im Film auftaucht, sei mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung jünger als 30. Und in der Tat setzt sich die Generation Z, wie Billie Eilish selbst, und wie auch ihre Vorgängergeneration. die Millenials, für Klimafragen, Nachhaltigkeit, mentale Gesundheit und Körperakzeptanz ein. Neben der Niederländerin Bisselinl wirken Klimaaktivistin Eirini Vougiouka und der Gleichberechtigungsaktivist Fabian Grischka als weitere Zugpferde in #whatwedonext mit.

Ihnen kommen im Film allenfalls Nebenrollen zu: Die Hoheit obliegt Billie Eilish, die ebenfalls das Voiceover des Werbefilms eingesprochen hat. Die Deutsche Telekom bezeichnet Eilish als das „ideale Bindeglied, um einen Generationendialog voranzutreiben“, was die Frage aufwirft, ob und inwieweit die Kampagne tatsächlich einem Breitenmaß der Generation Z Sichtbarkeit verleiht, oder, ob ihr nicht doch, zuerst und zuvorderst, an der Erzeugung viraler Aufmerksamkeit durch das leuchtende Beispiel einer erfolgreichen Persönlichkeit mit gigantischer medialer Reichweite und einer bereits gesicherten großen Zukunft gelegen ist.

Inwiefern digitale Netzwerke letztlich imstande sind, auch die Welt außerhalb des Internets konkret zu verändern, erläutern Kampagne und Studie nicht

Denn – das lässt ein Zuviel an digitalem Optimismus leicht vergessen – die Kampagne lässt völlig außer Acht, auch psychische Gesundheit und Social Media können in Korrelation zueinander gesetzt werden: jeden Tag werden (junge) Menschen, die sich in der digitalen Sphäre herumtreiben, in der immer neue Updates auf eine nie da gewesene Konnektivität prallen, in Abhängigkeit von Nummern, gepusht oder ignoriert. Nach gänzlich unbekannten Zukunftsweiser*innen sucht man im Film deshalb vergebens.

Dabei hat die Telekom 2019 „digitale Teilhabe“ als zentralen Anspruch definiert: „Wir sind erst zufrieden, wenn alle dabei sind“, heißt es. Wer letztendlich vom Austausch auf der #whatwedonext-Plattform profitiert, wer gesehen und gehört wird – und wer nicht – bleibt fraglich, denn 4.005 befragte Personen zwischen 16 und 26 Jahren in vier europäischen Ländern (Deutschland, Großbritannien, Polen und Ungarn) bilden kaum das Gros der Generation Z ab.

Zumal die Studie keinerlei Angaben dazu macht, wo die stichprobenartige Befragung stattgefunden habe und negative Auswirkungen der Digitalisierung wie auch mögliche Bedenken seitens der Befragten ignoriert. Dabei sei es dem Telekommunikationskonzern ein Anliegen, Chancen aufzeigen und eine achtsame und positive Beziehung zur Technologie zu fördern.

Solche Aussagen verwundern angesichts der Einseitigkeit der propagierten Thematik, besonders, da Billie Eilish selbst bereits mehrere Vorfälle von Cyber-Mobbing, Bodyshaming und ungefilterten Hasstiraden öffentlich machte. Erst kürzlich wies Eilish in einem Interview erneut auf die Schattenseiten digitaler Kommunikationsweisen hin und plädierte für „Internet-Unterricht“, damit Menschen erlernten, „wie man mit Onlinemobbing zurechtkommt.“

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