Nur jeder Fünfte ist populistisch

Laut einer Studie schwindet Populismus in der Mittelschicht: Die Coronapolitik habe das Vertrauen in die Regierung weiter bestärkt. Doch Experten warnen vor zunehmender Radikalisierung „am rechten Rand“

Von Barbara Dribbusch

Während die Demonstration gegen die Coronamaßnahmen am vergangenen Samstag Bilder von aufgebrachten BürgerInnen produzierte, die an schlichte Verschwörungstheorien glauben, zeichnet die Wissenschaft jetzt ein anderes Bild: „Umfang und Intensität populistischer Einstellungen sind seit 2019 stark rückläufig, vor allem in der politischen Mitte“ heißt es in einer Studie der Bertelsmannstiftung und des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB).

In der Studie unter dem Titel „Populismusbarometer 2020“ zeigt sich, dass aktuell nur noch etwa zwei von zehn Wahlberechtigten in Deutschland „populistisch eingestellt sind“. Das seien mehr als ein Drittel weniger als im November 2018. Die Coronakrise und der Umgang damit habe die „Trendwende im politischen Meinungsklima“ in Deutschland hin zu weniger Populismus sogar „stabilisiert und leicht verstärkt“, heißt es in dem Papier. Die Autoren warnten aber vor einer „weiteren Radikalisierung am rechten Rand“.

Für die Untersuchung wurden im Juni 2020 mehr als 10.000 Wahlberechtigte online repräsentativ befragt. Es handelt sich um die fünfte Umfrage im Rahmen des Populismus-Barometers seit März 2017. „Populismus“ besteht demnach aus drei verschiedenen Dimensionen, zu denen acht Behauptungen gehören, zu deren Zustimmung die StudienteilnehmerInnen gefragt werden.

Eine Dimension ist die „Anti-Establishment“-Haltung, eine Ideologie, die die Gesellschaft in zwei antagonistische Gruppen unterteilt, „das reine Volk gegen die korrupten Eliten“, heißt es in dem Papier. Dazu gehören Meinungen wie „die Bürger sind sich oft einig, aber die Politiker verfolgen ganz andere Ziele“ oder „mir wäre es lieber, von einem einfachen Bürger politisch vertreten zu werden als von einem Politiker“.

Die zweite Dimension ist die „Pro-Volkssouveränität“, also die Forderung nach einer direkteren und unmittelbareren „Herrschaft des Volkes“. Dazu gehören Meinungen wie: „Wichtige Fragen sollten nicht von Parlamenten, sondern in Volksabstimmungen entschieden werden.“

Die dritte Dimension ist der „Anti-Pluralismus“, also die Idee von der Homogenität sowohl der politischen Elite als auch des Volkes. Je nach Zustimmungs- oder Ablehnungsgrad zu den vorgelegten Meinungen werden die Befragten dann als populistisch oder unpopulistisch eingestuft. Laut Studie ist der Anteil populistisch eingestellter Menschen umso größer, je geringer formale Bildung und Einkommen sind.

Wolfgang Merkel vom WZB warnte jedoch vor einer „Re-Populisierung“ von Teilen der politischen Mitte in Zeiten von Corona. Die Debatte um die Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen konzentriere sich zu sehr auf die Unterwanderung der Protestbewegung durch Rechte. Andere Protestler würden als Mitläufer bezeichnet und könnten sich dadurch von der Politik „ausgeschlossen“ fühlen, sagte Merkel. (mit epd)

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