Kafka im Krisengebiet

Paar versucht in Hamburg zu heiraten und scheitert an Papieren, die in Afghanistan ausgestellt werden müssen. Abschiebung des Verlobten droht

von Swantje Unterberg

Vor eineinhalb Jahren beschlossen die Hamburgerin Reka Q., seit zwei Jahren deutsche Staatsbürgerin, und ihr afghanischer Verlobter Shir-Ahmat D. aus Leipzig zu heiraten. Sie wurden vor dem Standesamt in Wandsbek vorstellig und scheiterten an den Formalitäten – bis heute.

Zwecks Nachweis der Ledigkeit sollte ein „Ehefähigkeitszeugnis“ erbracht werden, welches afghanische Behörden jedoch nicht ausstellen. Für diesen Fall ist vorgesehen, dass der Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) eine „Befreiungserklärung“ ausstellt.

Nun hatte Shir-Ahmat D. aber vor einiger Zeit falsche Papiere benutzt – zum Reisen, was dem Asylbewerber wegen der Residenzpflicht untersagt ist. Also beanstandete das OLG, die Identität von D. stehe nicht mit Sicherheit fest. Als Nachweis müsse ein so genanntes „Negativattest“ erstellt werden, welches besagt, dass die verwendeten Aliasidentitäten rein fiktiv seien.

Das wiederum müsse in seinem Geburtsort Parwan geschehen – durch einen Anwalt, dem die Deutsche Botschaft in Kabul ihr Vertrauen schenkt. Die Botschaft indes konnte „auf Grund der aktuellen Lage in Afghanistan“ lediglich einen Vertrauensanwalt in Islamabad, Pakistan, benennen. Dieser Notar wusste von den Schwierigkeiten der noch im Aufbau befindlichen afghanischen Behörden und entschloss sich, ein „Positivattest“ zu erstellen. Nach monatelangen Recherchen begründete er auf 35 Seiten, dass es sich bei Shir-Ahmat D. um selbigen handelt.

Daraufhin trat das Wandsbeker Standesamt erneut an das OLG heran– und erhielt die Unterlagen wieder unerledigt zurück: Sie genügten „nicht, um die wahre Identität des Antragstellers zweifelsfrei nachzuweisen“.

Das Paar, das für den pakistanischen Notar bereits 570 Euro bezahlt hatte, beauftragte einen Verwandten in Kabul, der in Parwan Einträge im Geburtsregister überprüfen ließ. In arabischer und englischer Sprache erhielt er die Bestätigung, dass die Aliasidentitäten, die D. angenommen hatte, nicht existieren. Doch laut OLG hätte das Schreiben vom pakistanischen Notar beglaubigt und auf seine inhaltliche Richtigkeit geprüft werden müssen.

Die Verlobten können weiterhin nicht heiraten und sehen sich wegen der Residenzpflicht nur einmal im Monat. „Schikanös, kleinkariert und furchtbar bürokratisch“, findet beider Rechtsanwalt Andreas Borek. Zudem sei es ein Politikum, das Shir-Ahmat D. sich nicht an die afghanische Botschaft in Berlin wenden könne – das OLG erkenne dort ausgestellte Unterlagen nicht an, so Borek. Die Sprecherin des Netzwerks Afghanistan-Info, Ilse Schwartz, bestätigt das: Hamburgs Behörden setzten darauf, dass Asylbewerber zur Unterlagenbeschaffung nach Afghanistan ausreisen– und dann an der Wiedereinreise gehindert würden.

Der Schock folgte jedoch im Juli, als D. eine Vorladung vom Verwaltungsgericht Leipzig erhielt: Er ist erst gute fünf Jahre in Deutschland, und nach jüngstem Beschluss der Innenministerkonferenz sollen vorrangig ledige Männer abgeschoben werden, die sich weniger als sechs Jahre im Land aufhalten.

Klaus Wallat, Shir-Ahmats D.‘s Rechtsanwalt in Leipzig, äußerte gegenüber der taz, dass dessen Asylantrag abgelehnt werde. Jedoch habe der zuständige Richter am Verwaltungsgericht Leipzig anklingen lassen, dass eine Abschiebung vorerst nicht angedacht sei. Ob das junge Paar noch heiraten kann, bleibt ein Wettlauf mit der Zeit.