„Die Frau beherrscht den Markt von morgen“

Unser Kaufverhalten wird sich in den nächsten Jahren stark verändern: weniger Zeit, mehr Wohlfühlkonsum, so lautet eine Prognose. Konsumforscher Wolfgang Twardawa über die Zukunft des Konsums und warum er weiblich sein wird

INTERVIEW SIMONE ROSSKAMP

taz: Herr Twardawa, es ist das Jahr 2025. Ich habe hundert Euro in der Tasche. Wer oder was hat den meisten Einfluss darauf, in welches Produkt ich dieses Geld investiere?

Wolfgang Twardawa: Wir von der Gesellschaft für Konsumforschung glauben, oder besser: wir wissen, dass es bestimmte Trends gibt. Einer der wichtigsten ist, dass es künftig eine sehr viel stärkere Bedeutung der Frau gegenüber heute geben wird. Die Frau wird 2025 dominieren – und zwar alle Bereiche.

Alle Bereiche? Gerade im Konsum ist die Frau doch bislang eher als Fashion Victim verschrien, konditioniert durch die Werbung, abhängig von Trends – was hat sich da geändert?

Nun gut, die Frau der Zukunft steht ihren Mann in der Wirtschaft, im Geldverdienen, und damit ist sie eben nicht mehr länger der Spielball von Werbung oder anderen Einflussfaktoren. Wenn Sie sich zum Beispiel die Werbung der Marke Vorwerk anschauen: Die Haushaltsführung wird hier als Unternehmen präsentiert. Die Frau ist also diejenige, die als Unternehmerin ihren Beruf, aber auch Haushalt und Kinder sehr professionell managt und damit auch den Konsum.

Also die Emanzipierung durch den Konsum?

Das schon auch, aber natürlich auch durch die zusätzlichen Aufgaben, die auf die Frau in der Zukunft zukommen.

Welchen Einfluss hat der Faktor Weiblichkeit auf den Markt der Zukunft?

Der Einkaufsprozess wird sich auf jeden Fall sehr stark verändern. Wir unterscheiden ja heute schon zwischen den so genannten Muss- und den Kann-Produkten. Muss-Produkte decken den gütertechnischen Bereich ab, wie etwa Waschmittel, Nahrungsmittel, alles, was wir regelmäßig kaufen müssen. Solche Einkäufe sind ja kein wirkliches Vergnügen, man muss es machen, es ist im Gegenteil eher eine Stresssituation. Diese Einkäufe werden in Zukunft ganz stark rationalisiert. Wir werden etwa im Jahr 2025 Einkaufsstätten haben, in denen es keine Kassiererin mehr geben wird. Die Kundin geht rein, nimmt die Produkte, geht dann einfach durch eine Schranke. Diese Schranke nimmt die Barcodes der Produkte auf. Die Konsumentin bekommt die Summe und bezahlt dann mit der Scheckkarte am Automaten.

Eigentlich steht die Frau ja klassisch eher für die Emotion. Welche Rolle spielen die Gefühle beim Konsum der Zukunft?

Das ist schon richtig. Emotionen haben aber nichts mit Muss-Produkten zu tun. Da geht es nur um die Devise: wenig Zeit, wenig Stress. Auf dem Weg vom Büro nach Hause wird es daher in der Zukunft auch sicherlich Einkaufsstationen geben. Da kann man Produkte, die man vorher im Internet ausgewählt hat, einfach nach der Arbeit abholen. Auch Tiefkühlprodukte können dort gelagert werden, das ist wie ein großer Safe, 24 Stunden täglich geöffnet.

Einkaufen wird intelligenter?

Ja, genau. Das gilt aber wie gesagt primär für die Muss-Produkte. Emotion hingegen wird 2025 in einem anderen Bereich ganz entscheidend sein. Denn: In dem Maße, in dem wir in der Gesellschaft der Zukunft immer rationaler entscheiden müssen, wollen wir auch mehr Emotion um uns herum haben.

Klingt widersprüchlich.

Aber das ist immer so. Man sehnt sich nach einer heilen Welt, und wenn es nur der Kurztrip nach Mallorca ist – die Polarisierungen werden in der Welt der Zukunft weiter wachsen. Der Zwang zur Rationalität im Alltag weckt auf der anderen Seite den Wunsch nach Emotionen. In den Shopping Malls der Zukunft wird Emotion daher ganz groß geschrieben werden. Das heißt: Muss- Produkte sollen zeitsparend und nutzorientiert sein. Auf der anderen Seite wird es Konsumtempel geben, in denen man sich verwöhnen lassen will.

Wirklich erkannt hat die Werbung diesen weiblichen Trend aber noch nicht: Bier etwa wird bislang unter konsequentem Ausschluss der Frau beworben.

Die Werbung wird sich darauf einstellen müssen. Wobei man schon heute die Frau weniger als emotionales, williges Model hinstellt, sondern sehr viel mehr als die Unternehmerin anspricht, als die Souveräne, die die Kaufentscheidungen trifft. Und die Geldvermögen hat: Das wird 2025 auf jeden Fall so sein. Das monatliche Salär wird bei den Frauen sehr viel höher sein als heute.

Welche neuen weiblichen Produkte kommen auf uns zu?

Alles, was mit Wellness im weitesten Sinne zu tun hat, wird ganz stark das Konsumverhalten bestimmen. Functional Food etwa, also gesundheitsfördernde Produkte. Man möchte leben, gesund leben, sich wohl fühlen, ohne dass man Stress hat. Entscheidend für den Kauf wird daher der Faktor Stressabbau sein. Ich kann eine fettreduzierte Margarine ja genießen und habe dabei trotzdem ein gutes Gefühl, weil es meinen Cholesterinspiegel senkt.

Bislang genießen wir eher mit ungesunden Mitteln: Nikotin, Alkohol, Fleisch.

Es wird hier bestimmte Produkte geben, die sozusagen geächtet werden. Das sieht man im Ansatz ja heute schon. Bei solchen Produkten wird der Konsum stark zurückgehen.

Das Ende der Zigarette?

Ja, aber auch Fleisch wird zunehmend vom Einkaufszettel verbannt. Die Fettleibigkeit wird ein großes Thema der Zukunft werden. Das wird Konsequenzen auf die Wahrnehmung von Nahrungsmitteln haben: Süßwaren und Knabbergebäck werden völlig anders gesehen als heute. Nicht nur als Genuss, sondern als ungesunder Genuss.

Überleben werden also nur Produkte mit Nutzwert. Was genau bedeutet dieser Female Shift dann gesamtwirtschaftlich betrachtet?

Wir werden in einer immer stärker globalisierten Welt leben. Die Welt wird immer uniformer. Wir kennen den Effekt: Schon heute sehen unsere Innenstädte überall gleich aus, ob in London oder Schanghai. Diese Gleichmacherei führt zur neuen verstärkten Suche nach der eigenen Identität – wie kann ich mich noch abheben, von dieser Masse?

Das Comeback für die maßgeschneiderten Schuhe?

Ja, wir brauchen Dienstleistungen, die sich von der Masse abheben. Meine Identität finde ich ja auch im Konsumverhalten. Es ist eine Illusion zu glauben, dass sich die Menschen in einer globalisierten Welt immer stärker integrieren. Das Gegenteil ist der Fall, die Rückbesinnung auf die Wurzeln wird eher zunehmen: Ich habe pakistanische Wurzeln, bayerische, fränkische Wurzeln. Das wird eher noch stärker werden.

Wie geht das zusammen mit dem boomenden Discounter-Markt? Einige Ketten operieren bereits heute auf dem globalen Markt mit ihren Einheitsprodukten.

Der Discounter hat zwei Motive: Günstiges einkaufen, weil ich es mir anders einfach nicht leisten kann. Zweitens möchte ich insgesamt auf Produkte, die für mich Low-Interest-Produkte sind, nicht viel Emotionen verwenden. Wenn Sie Waschmittel kaufen, welche Gefühle haben Sie dann?

Keine.

Sehen Sie, dasselbe gilt für Milch- oder Joghurtprodukte. Die will ich besonders zeitsparend kaufen. Eine Konsumentin der Zukunft wird darauf noch mehr achten. Zeit ist ein wichtiges Gut, das immer mehr Bedeutung bekommt. Ich kann alles andere vermehren, aber die Zeit eben nicht. Der Discounter hat sich auf Muss-Produkte spezialisiert und wird das sicherlich eher noch ausbauen.

Beruhigen Sie zum Abschluss unsere männlichen Leser: Wenn Konsum weiblich wird, fahren 2025 dann nur noch pinkfarbene Autos durch Deutschland?

Die These von der Weiblichkeit des Konsums kann ja nie wirklich schwarz-weiß gemalt sein. Die Veränderungen haben sicherlich eine starke Bedeutung. Die Männer werden deswegen aber nicht gleich zu Hausmännern degradiert.

Das heißt, sie dürfen ihre Autos behalten?

Ja sicherlich. Es wird in der Zukunft nicht nur pinkfarbene, sondern auch weiter noch schwarze Autos und sogar Sportwagen geben.