Freundliche Gesten eröffnen Atomgespräche

Bei der neuen Runde der Sechsergespräche über Nordkoreas Atomprogramm überwiegt trotzdem die Skepsis

PEKING taz ■ „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ – „Wer Schritt für Schritt klettert, dem ist kein Berg zu hoch“ – „Dem Seefahrer, der nicht weiß, welchen Hafen er ansteuert, weht nie ein günstiger Wind“: Mit solchen Sprüchen haben gestern zum Auftakt der Nordkorea-Gespräche in Peking die Unterhändler versucht, guten Willen zu zeigen und ihre Gesprächspartner zur Nachgiebigkeit zu ermuntern.

Im Staatsgästehaus trafen sich Diplomaten Chinas, der USA, Nord- und Südkoreas, Russlands und Japans zur vierten Runde der Verhandlungen über Nordkoreas umstrittenes Atomprogramm. Der Tonfall war auffällig verbindlich: Das Ziel sei Nordkoreas „permanente, vollständige und überprüfbare“ nukleare Abrüstung“, erklärte US-Unterstaatssekretär Christopher Hill. Pjöngjangs Bedürfnis nach Sicherheit und Energieversorgung werde ernst genommen. Die USA würden Nordkoreas Souveränität „als Fakt“ anerkennen und hätten „absolut nicht die Intention“, das Land anzugreifen. Den in in Washington bekannt gewordenen Vorschlag, in Pjöngjang ein US-Verbindungsbüro einzurichten, sprach Hill nicht an.

Nordkoreas Vizeaußenminister Kim Kye-gwan erklärte, es sei Zeit für alle Seiten, eine „strategische Entscheidung“ zu fällen. Dazu sei sein Land bereit. Damit griff er eine Formulierung des Weißen Hauses auf, das von Pjöngjang gefordert hatte, eine „strategische Entscheidung“ zur Abrüstung zu fällen. Hill und Kim hatten sich bereits Montag getroffen – ein klarer Hinweis auf ein besseres Klima im Vergleich zu den ersten drei Runden. Bisher hatten sich die USA geweigert, die Nordkoreaner ohne die anderen Teilnehmer zu treffen.

Südkoreas Vizeaußenminister wiederholte das Angebot seiner Regierung: Ist Pjöngjang bereit, sein Atomprojekt zu verschrotten, will Seoul jedes Jahr 2 Millionen Kilowatt Strom in den Norden liefern. Unterdessen rollten erste Lastwagen mit bereits versprochenen 500.000 Tonnen Reis vom Süden Richtung Norden. Unklar ist, wie lange jetzt verhandelt werden soll. Offen ist auch, ob hinter den versöhnlichen Gesten und diplomatischen Formeln der Hauptkontrahenten USA und Nordkorea tatsächlich der Wille zur Einigung steckt. Optimisten in den USA hoffen, dass sich Nordkoreas Diktator Kim Jong Il ein Beispiel an Libyens Staatschef Gaddafi nimmt, der sein Atomprogramm vor einiger Zeit aufgab.

Pjöngjang ließ sich bisher alle Zugeständnisse teuer abkaufen und entwickelte trotzdem Atomwaffen. Begründung: Sie dienten der Verteidigung gegen die USA, die einen „Regimewechsel“ anstrebten. Vorige Woche bekräftigte US-Präsident George W. Bush, dass er eine diplomatische Lösung will. Es gibt in den USA aber einflussreiche Kräfte, die jede Verständigung mit Nordkorea ablehnen. So warnen Fachleute in Peking vor zu großen Hoffnungen. Beide Seiten, erklärte etwa Jin Linbo vom Institut für internationale Studien, hätten ihre Grundpositionen nicht aufgegeben und würden sich nach wie vor „zutiefst misstrauen“. JUTTA LIETSCH