Aufständische infiltrieren Iraks Polizei

Die Sicherheitskräfte sind nur bedingt einsatzfähig. Dies bestätigt auch ein Bericht des US-Verteidigungsministeriums. Er schlägt vor, die Rekrutierung künftig der Regierung in Bagdad zu übertragen. Bisher mangelt es dabei an Sprachkenntnissen

AUS ERBIL INGA ROGG

Stoisch haben amerikanische Truppenkommandeure in den vergangenen sechs Monaten immer wieder den gleichen Satz wiederholt, wenn es um die Kapazitäten der irakischen Sicherheitskräfte ging: Zwar sei noch nicht alles zum Besten, doch die Schlagkraft von Polizei und Armee wachse von Tag zu Tag. Beobachter vor Ort konnten sich nur verwundert die Augen reiben.

Obwohl die Sicherheitskräfte heute besser ausgestattet sind als vor einem Jahr, ist ihre Ausrüstung immer noch weit von der einer modernen Polizeitruppe entfernt. Die Polizisten sind nicht einmal in der Lage, sich selbst gegen den Terror der Dschihad-Kämpfer zu schützen. Hunderte Polizisten und Soldaten fielen ihr in den vergangenen Monaten zum Opfer.

Doch auch im Inneren des Apparats liegt vieles im Argen. Disziplinlosigkeit, schlechte Moral und Bestechlichkeit sind noch die geringsten Vorwürfe, die gegen Polizisten erhoben werden. Besonders in Verruf geraten sind die dem Innenministerium unterstellten Sondereinheiten im Anti-Terror-Kampf.

Irakische Politiker sehen die Gründe für die eklatanten Mängel im Sicherheitsapparat vor allem in der Rekrutierungspraxis der USA. Wiederholt haben sie auf den Missstand hingewiesen, dass sich in den Rängen der Polizei Kriminelle und Untergrundkämpfer fänden, weil es den Amerikanern bei ihren Überprüfungen an Sprach- und Landeskenntnissen fehle. Ein Bericht des Pentagons hat diese Vorbehalte jetzt bestätigt.

Zwar lobt der Bericht den Einsatz der Polizei während der Wahlen im Januar und hält den Sicherheitskräften die mittlerweile stärkere Präsenz zugute. Doch bemängelt er die häufig geringe Qualifikation der Rekruten. Obwohl man für den Polizeidienst mindestens einen Grundschulabschluss nachweisen muss, können viele Polizisten nicht lesen und schreiben. Besorgnis erregend sei vor allem die Unterwanderung durch Terroristen und Aufständische. Es gebe Beweise, dass es diesen gelungen sei, die höheren Dienstgrade zu infiltrieren, heißt es in dem Bericht. Das Pentagon macht dafür Mitarbeiter der Koalition verantwortlich, die mehr auf Quantität als Qualität achten würden. „Die Ausbildungsprogramme haben ‚Kanonenfutter‘ hervorgebracht“, heißt es drastisch.

Nach dem Debakel der Sicherheitskräfte während der Angriffe von Aufständischen im Herbst hatte der in diesen Tagen ausgeschiedene General Petraeus sein Augenmerk auf den Aufbau einer mittleren Führungsebene konzentriert. Nur die Hälfte der insgesamt 173.000 Mann starken Polizei- und Armeeeinheiten sei im Kampf gegen die Aufständischen einsatzfähig, heißt es in dem Pentagon-Bericht. Bis nächsten Sommer sollen sie indes auf 270.000 Mann wachsen. Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, soll die Rekrutierung an die Iraker übergehen, fordert der Bericht. Das schiitisch-kurdische Regierungsbündnis ist freilich bestrebt, vor allem die eigenen Kämpfer unterzubringen. Die Gefahr eines Bürgerkriegs wird dadurch nicht geringer.