Schulschiff im Abseits

Wo das Vegesacker Einkaufszentrum Haven Höövt gescheitert ist, sollen Wohnungen mit Blick auf das historische Hafenbecken gebaut werden. Beim Schulschiff will der Investor nur ein Hochhaus errichten. Der Schulschiff-Verein wertet das als unfreundlichen Akt

So stellt sich der Investor das neue Stadtquartier am Hafen in Vegesack vor. Das Schulschiff ist nicht mehr eingezeichnet – an seiner Stelle fährt hier nur ein Segelboot Foto: Visualisierung: Haven Höövt Entwicklungsgesellschaft mbH

Von Klaus Wolschner

„Hochhaus“ ist ein Reizwort in der Bremer Stadtplanung. Für Investoren verspricht es Rendite, Anwohner befürchten, in den Schatten zu geraten durch städtebauliche Hässlichkeiten.

Auch bei dem neuen Stadtquartier, das der schweizerische Investor Max Zeitz am historischen alten Hafen in Vegesack plant, ist ein Hochhaus der Stein des Anstoßes. Inzwischen ist Zeitz von ursprünglich geplanten elf auf neun Stockwerke heruntergegangen und verweist auf ein Hamburger Hochhaus-Modell, das jeweils zwei mittlere Etagen optisch verbindet und von Weitem gar nicht mehr „hoch“ aussieht.

Verzichten will er aber auf das Hochhaus auf keinen Fall. Denn insbesondere die Wohnungen mit Blick auf das Schulschiff „Deutschland“ und die Weser will er teuer verkaufen. Was mit den rückseitigen Wohnungen mit Blick auf die Grohner Düne wird, ist offen. Kritiker befürchten eine „Verlängerung“ der Grohner Düne.

Immerhin ersetzt das neue Stadtquartier, zu dem mehr als das Hochhaus gehört, das alte Einkaufszentrum Haven Höövt, das im Jahre 2002 ebenso gelobt wurde wie heute das neue Projekt. Der Geschäftsführer der Stadtentwicklung Vegesack GmbH, Wendelin Seebacher, versprach damals „eine funktionierende Verbindungsachse vom Bahnhof und dem neuen Hafen mit dem Schulschiff ‚Deutschland‘ in die bestehende Fußgängerzone“. Und Vegesack als Mittelzentrum sollte gestärkt werden. Das stellte sich bald als großer Unfug heraus, es gab weder „Achse“ noch Stärkung der Kaufkraft im alten Vegesack. Als Haven Höövt 2012 Insolvenz anmeldete, war niemand traurig.

Auch die Marketing-Idee einer „maritimen Meile“ ist gescheitert, von der man sich einst 100.000 touristische Besucher versprach. Die „Gläserne Werft“ wurde mit öffentlichen Mitteln gepäppelt – und lockte kaum mehr als die zwangsverpflichteten Grundschulklassen. Der schöne Name „Spicarium“ wurde für die Idee eines historischen „Alten Speichers“ gefunden, der eine interaktive Ausstellung zu Schiffbau und Schifffahrt, Handel und Wandel, Marinebionik und Yachtdesign bieten sollte – mangels Besucher machte es 2015 dicht. Geblieben von der alten Herrlichkeit des Vegesacker Marketings ist nur das Schulschiff.

Erfreulich also, dass immerhin die neue Planung für das Stadtquartier am Vegesacker Hafen bescheiden daherkommt: Wohnungen mit Blick auf das alte Hafenbecken sollen entstehen und ein paar Geschäfte. Da, wo seinerzeit das kitschige Eingangsportal des Haven Höövt locken sollte, wird das Vegesacker Polizeikommissariat einziehen und Sicherheit vor dem Bahnhof versprechen. Es wird gemunkelt, dass die Miete für die Polizei gering ausfallen soll, wenn die Renditeerwartungen im Hochhaus realisiert werden können.

Verwunderlich an der Planung ist, dass das „Gesicht“ des neuen Stadtquartiers ausschließlich zum alten Hafen gewendet ist und das Schulschiff nicht einbindet. Das verbleibt allein im hinteren Bereich – dort, wo das Hochhaus entstehen soll. Auf einer der bunten Planskizzen des Investors ist es schon gar nicht mehr vorhanden.

Keine Zukunft in Vegesack? Das Schulschiff „Deutschland“ Foto: Ingo Wagner/dpa

Das verärgert den gemeinnützigen Verein, der das Schulschiff betreibt. Dessen Vorsitzender Claus Jäger, früher einmal Wirtschaftssenator, schlägt die Trommel des Protestes. Er wolle damit nur Subventionen für seinen defizitären Betrieb herausschlagen, sagt man ihm im Bremer Rathaus nach. Dass die Unterhaltung des Schulschiffes jährlich 100.000 Euro und mehr an Defizit einfährt, hat Jäger selbst als Argument dafür vorgebracht, dass es so wie jetzt nicht weitergeht. Aber weder bei der SPD noch bei den Grünen gibt es Überlegungen, wie man das Schulschiff an diesem Standort retten könnte.

Eine Zukunft könnte für das Schiff anderswo liegen: Der frühere Bremerhavener Oberbürgermeister Jörg Schulz hat vor Jahren schon schriftlich bekundet, dass man zur Abrundung des maritimen Angebotes der Seestadt das Schulschiff dort gern haben würde. Das Interesse müsste nach dem Ende des traditionsreichen Segelschiffs „Seute Deern“ gestiegen sein. FDP und CDU fordern schon laut, dem Verein „Schulschiff Deutschland“ ein Angebot der Übersiedlung nach Bremerhaven zu machen. Aber SPD und Grüne halten sich bisher zurück.

Eine Schlüsselfigur für die Planungen ist der frühere Bundestagsabgeordnete Uwe Beckmeyer (SPD). Er ist für Bremerhaven der „Koordinator“ zu den 46 Millionen Euro, die der Haushaltsausschuss des Bundes für einen Neubau der „Seute Deern“ und auch für das Feuerschiff „Elbe 3“ beschlossen hat. Die Staatsministerin für Kultur und Tourismus,Barbara Klepsch (CDU), will mit diesem Geld die maritime Geschichte Bremerhavens gefördert wissen. Und für Claus Jäger (FDP) liegt es auf der Hand, dass das in Geestemünde 1927 gebaute Schulschiff für die Seefahrtstradition Bremerhavens weit mehr hermachen würde als ein teurer Neubau der in den USA gebauten „Seute Deern“.