Sollte der Senat Immobilien kaufen?

Die Stadt Hamburg verzichtet einvernehmlich auf das riesige, schiffsähnliche Gruner+Jahr-Gebäude im Portugiesenviertel. Der Verlag will es stattdessen an den milliardenschweren New Yorker Immobilieninvestor Tishman Speyer verkaufen. Was der damit macht, will die Stadt „eng begleiten“

ja,

natürlich sollte die Stadt das Gebäude kaufen. Sie hatte ja auch schon einen Kaufvertrag geschlossen, wenn auch mit Ausstiegsoption, von der sie jetzt Gebrauch macht. Was eine Frechheit ist.

Okay, die Gründe für das Zustandekommen des Kaufvertrags damals waren nicht die richtigen. Die Stadt wollte verhindern, dass der Verlag Hamburg verlässt, und war deshalb als Käuferin eingesprungen, damit sich Gruner + Jahr einen schicken Neubau in der Hafencity gönnen kann. Diese indirekte Subvention des Unternehmens, das zu hundert Prozent dem milliardenschweren Bertelsmann-Konzern gehört, hätte es sicher nicht gebraucht.

Was Hamburg hingegen sehr wohl braucht, sind Grundstücke, die der Stadt gehören und über die sie verfügen kann. Anderenfalls müssen sich die Beteiligten der Regierungskoalition, aber leider auch alle Bewohner*innen dieser Stadt, damit abfinden, dass Großkonzerne und Milliardeninvestor*innen den öffentlichen Raum gestalten (der dann zu immer größeren Teilen eben nicht mehr öffentlich ist).

Dass man damit die Zufriedenheit in der Bevölkerung nicht gerade steigert, hat der Senat ja auch schon erkannt und einen Kurswechsel versprochen. Nach dem Leitziel „Mehr Stadt in der Stadt“ versprach er vor einem Jahr, die „endliche Ressource Fläche“ vor dem Ausverkauf zu bewahren. Ein 27.720 Quadratmeter großes Areal in Premiumlage nicht zu kaufen, sondern einem New Yorker Immobilienriesen den Vortritt zu lassen, passt ganz offensichtlich nicht dazu. Was verspricht man sich davon, außer teuren Büros und Läden, die niemand braucht? Der Senat killt hier vorsätzlich eine innerstädtische Fläche.

Immer, wenn wieder eine Jugendhilfe- oder eine andere soziale Einrichtung aus ihren Räumlichkeiten raus muss und neue braucht, ist das Gejammer groß. Der Senat würde ja gern helfen, nur leider kann er es nicht, weil es in der ganzen Innenstadt kaum mehr Grundstücke gibt, über die er verfügen kann. Zu dumm, dass der CDU-Senat jahrelang alles verkauft hat. Oh wait! Der rot-grüne-Senat macht ja fast das Gleiche, anstatt zu retten, was zu retten ist.

Um den Bedarf an Wohnraum und Flächen für soziale Einrichtungen, Spielplätze und Erholungsorte zu decken, müsste die Stadt kaufen, was sie kriegen kann. Das wäre ein ernsthafter Kurswechsel.

Katharina Schipkowski

nein,

denn die Stadt ist keine Immobilienentwicklerin. Wenn es anders geht, sollte sie Stadtentwicklung dadurch betreiben, dass sie kluge Regeln setzt und weitsichtige, hart verhandelte Verträge schließt.

Der Senat hat die Gebäude am Baumwall 11 nach eigenen Angaben gekauft, um sie Gruner + Jahr von den Schultern zu nehmen und den Verlag in der Stadt zu halten. Für einen derart riesigen Bau ist es nicht einfach, einen Investor zu finden, der ihn auf einträgliche Weise bewirtschaften kann.

Der Plan, die Verwaltung hier einziehen zu lassen, wirkte von vornherein wie eine Notlösung. Seitdem der CDU-Senat in den Nullerjahren im großen Stil städtische Immobilien verkauft hat, müssen sich große Teile der Verwaltung die Räume mieten, die sie brauchen. Das ist mit dem Anreiz verbunden, nur so viel zu mieten, wie nötig ist, und nicht davon auszugehen, dass ein bestimmtes Gebäude zur Verfügung steht, in dem man sich ausbreiten kann. Das Ganze nennt sich Mieter-Vermieter-Modell und funktioniert mit Immobilien im privaten wie im öffentlichen Eigentum.

Von dieser Politik abzurücken und eigene Gebäude für die Verwaltung zu beschaffen, ergibt nur Sinn, wenn damit städtebauliche Impulse gesetzt werden, die es sonst nicht gäbe. Ein Beispiel dafür ist das Gebäude der Stadtentwicklungsbehörde in Wilhelmsburg, mit dem der Senat das Signal ausgesandt hat, dass er es ernst meint mit dem Städtebau am S-Bahnhof.

Das Gruner+Jahr-Gebäude am Baumwall hätte die Stadt bei einem Kauf unter Zugzwang gesetzt. Sie hätte es sanieren und mit Leben füllen müssen – und dabei wäre auch noch der Denkmalschutz zu beachten gewesen. Der verführerische Vorschlag, hier Wohnungen unterzubringen, ist nicht unterlegt. Er dürfte ein Luftschloss sein – schließlich wurde es als Verwaltungsgebäude konzipiert.

Nein, die Stadt kann mit ihrem Geld Besseres anfangen. Statt selbst zu investieren, sollte sie den Hebel bei den Investoren ansetzen, was sie ja etwa beim Drittelmix im Wohnungsbau tut und was Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) im vorliegenden Fall schon versprochen hat. Jetzt kommt es auf den Inhalt des städtebaulichen Vertrags an, den der Senat mit dem Investor schließen wird. Wenn irgend möglich, sollte er verhindern, dass die Immobilie binnen Kurzem als Spekulationsobjekt weiterverkauft wird. Gernot Knödler