wie machen sie das?
: Die Erzählerin

Maria Winter ist Geschichtenerzählerin und Theaterpädagogin aus Ulm.

taz am wochenende: Frau Winter, Sie erschaffen mit Worten Welten in den Köpfen Ihrer Zuhörer. Wie machen Sie das?

Maria Winter: Man muss die Bilder dieser Welten mit allen Details im Kopf haben. Dann erzähle ich, wie man von einem Film erzählt. Ich arbeite mit wenigen Worten. Wenn die Bilder für mich deutlich sind, wird auch das Publikum sie verstehen.

Wie merken Sie sich all die Geschichten?

Ich analysiere die Geschichte und suche nach Krisen oder Höhepunkten. Das ist mein Leitfaden. Dann orientiere ich mich wieder an den Bildern, stelle mir Abschnitt für Abschnitt vor, wie die Geschichte als Film ablaufen würde. Danach hab ich das drin und muss nur noch technische Dinge üben.

Was erzählen Sie?

Das Wort Märchen klingt immer nach Grimm und Disney. Dabei bezeichnen Märchen Geschichten, die aus einer mündlichen Tradition stammen und die auf der ganzen Welt und von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Ich erzähle traditionelle, aber auch moderne Geschichten.

Um welche Themen geht es?

Themen, die unser Miteinander ausmachen, wie Mut, Gastfreundschaft, Hoffnung. Natürlich auch um Liebe, romantische Liebe oder die Liebe zwischen Eltern und Kindern. Viele Märchen handeln von Kindern, die im Wald verloren gehen. Sie finden wieder zu den Eltern oder an einen Ort, wo sie hingehören. Das gibt auch uns Hoffnung, die wir in unserer eigenen Verlorenheit gebrauchen können.

Haben alle Ihre Geschichten ein Happy End?

Wenn ich für Kinder erzähle, ist mir das wichtig. Bei Erwachsenen kann man nicht immer sagen „Ach, das wird schon wieder“. Es darf auch mal im Raum stehen, dass das Leben nun mal schwierig ist. Aber auch ohne klassisches Happy End können am Ende positive Gedanken stehen.

Welche Bedeutung hat das Erzählen in einer Welt voller Bildschirme?

Beim Erzählen merke ich, wie die Leute aufatmen, weil sie mal nicht mit visuellen Impulsen von außen vollgeballert werden. Auch Erzählen funktioniert über Bilder. Sobald ich „Elefant“ sage, haben alle ein Bild im Kopf. Das kommt dann aus der eigenen Fantasie und nicht vom Bildschirm.

Sind Podcasts die Zukunft des Erzählens?

Ich finde es sehr wichtig, dass Erzählen live passiert. Weil da eine Spannung zwischen Erzähler und Publikum entsteht. Das funktioniert nicht, wenn man die Geschichte aufnimmt.

Warum wollten Sie Erzählerin werden?

Ich wollte immer Kabarettistin werden. Aber irgendwann fand ich es doof, immer witzig sein zu müssen. Interview Cornelius Stiegemann