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Getöse um die Tech-Riesen

Apple, Google, Facebook und Amazon müssen ihr Marktmonopol vor dem US-Kongress erklären. Doch die Abgeordneten begnügen sich mit weichgespülten Fragen

Die vier Befragten wissen über das detaillierte Tagesgeschäft ihrer ­Unternehmen angeblich nicht so gut Bescheid Fotos: Graeme Jennings/ap (o. r..; u. l.); Mandel Ngan/reuters (o. l.; u. r.)

Von Daniél Kretschmar

Vergeudete Zeit, fünfminutenweise weggeworfene wertvolle Fragezeit. Diesen Eindruck schien die demokratische Abgeordnete Mary Gay Scanlon nach mehr als zwei Stunden gewonnen zu haben. Denn dann platzte ihr der Kragen wegen des Verhaltens einiger republikanischer Abgeordneter, die am Mittwoch in Washington die Gelegenheit hatten, vier der mächtigsten Männer der Welt zu befragen. Mehrere nutzten ihre Zeit dafür, das zu verbreiten, was Scanlon „abseitige Verschwörungstheorien“ nannte: Zum Beispiel die durch keinerlei empirische Basis gestützte Behauptung, Facebook und Google würden rechte Inhalte systematisch diskriminieren. Einer beklagte, dass seine Wahlkampf-E-Mails bei Gmail im Spamordner landen würden, der andere, dass Facebook ungerechtfertigterweise einen Post von Donald Trump jr. gelöscht habe. Sie behaupteten, von Facebook in ihrer Meinungsfreiheit beschnitten zu werden.

Mark Zuckerberg blieb nur, höflich achselzuckend darauf zu ver­weisen, dass nicht sein Unter­nehmen, sondern Twitter entsprechend gehandelt habe. Die gewaltigen Reichweiten, die rechte und rechtsradikale Inhalte mit Facebook erzielen, wurden in dieser Argumentationslinie auch während der Fragestunde im Kongress völlig ignoriert.

Die drängenden Fragen mit Blick auf Marktmacht bis hin zu monopolistischer Dominanz zu behandeln, blieb vornehmlich den demokratischen Abgeordneten vorbehalten. Nicht, dass sie bedeutend Neues zutage hätten fördern können – obwohl der Demokrat David Cicilline mehr als ein Jahr lang auf diesen Tag hingearbeitet hatte. Doch die vier Befragten waren gut vorbereitet, wichen schwierigen Themen mehr oder weniger geschickt aus oder zogen sich, nicht unplausibel, darauf zurück, nicht in sämtliche Details des Tagesgeschäfts eingeweiht gewesen zu sein.

Prominentestes Beispiel war dabei Instagram, eine Plattform, die Facebook übernahm und weiterentwickelte. Zuckerberg sicherte sich so die bis heute anhaltende Dominanz unter sozialen Netzwerken und damit Zugriff auf die dort eingesetzten Werbegelder, die zu fast 100 Prozent Umsatz und Gewinn des Konzerns bestimmen.

Gleich die erste Frage richtete sich allerdings an Sundar Pichai. „Warum stiehlt Google Inhalte von ehrlichen Unternehmen?“, eröffnete der Vorsitzende Cicilline die Sitzung. Die Mechanik der Suchmaschine, Nutzer*innen Ergebnisse zu liefern, die entweder auf eigene Angebote verweisen oder die gesuchten Informationen gleich auf Google selber zu präsentieren, wurde mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht.

Amazon

Neben dem Hauptgeschäft als Online-Versandhändler vertreibt der Konzern unter Amazon-Kindle Lese­geräte für elektronische Bücher, besitzt mit Amazon-Studios eine Filmproduk­tionsfirma, deren Filme auf Prime-Video gesehen werden können. Außerdem wäre da noch Alexa, ein intelligenter Lautsprecher fürs Smart-Home, und Audible, eine Plattform für Podcasts. Amazon hat zahlreiche andere Online-Versandhändler aufgekauft.

Facebook

Das Unternehmen beginnt als Kommunikationsplattform und baut die nach und nach aus mit einem Messenger. 2012 kauft Facebook das damals noch sehr kleine Unternehmen Instagram (12 Mitarbeiter) für eine ganze Milliarde US-Dollar. 2014 übernimmt Facebook auch den Nachrichtendienst WhatsApp für 19 Milliarden Dollar. Mit der Übernahme von Oculus VR hat Facebook sich außerdem einen Platz im Business der Virtual Reality ge­sichert.

Alphabet

Die bekannteste der vielen Tochterfirmen von Alphabet ist die Suchmaschine Google. Außerdem gehören dem Unternehmen die Videoplattform YouTube sowie die Smartphone-Software Android.

Apple

Neben den berühmten Elektrogeräten von iPhone bis iWatch und Mac-Rechnern besitzt Apple unter anderem auch die Musikerkennungssoftware Shazam und die Datenbankfirma Claris. (lf)

Für Amazon-Chef Jeff Bezos wiederum war die Anhörung der erste Auftritt dieser Art. Nur die Androhung einer offiziellen Vorladung konnte die „freiwillige“ Teilnahme erzwingen. Die anderen drei hatten schon Gelegenheit, die für sie sicher ungewohnte Situation zu trainieren, dass andere als sie selbst Thema und Tempo einer Konversation bestimmen. Wer darauf wartete, dass Bezos, mit großem Abstand der reichste Mann der Welt, sich ausführlich für die katastrophalen Arbeitsbedingungen in seinen Versandzentren würde rechtfertigen müssen, wurde enttäuscht. Die seltene Gelegenheit, den Konzernchef mit der erdrückenden Übermacht seines Unternehmens und deren Folgen zu konfrontieren, brachte den nicht aus der Fassung. Die Fragen richteten sich hauptsächlich auf die Funktionsweise des „Market Place“ und die Kontrolle externer Anbieter*innen, die die Plattform nutzen. Stellungnahmen von Händler*innen, die für Kundenkontakt auf eine Präsenz bei Amazon angewiesen sind, beschrieben das Verhältnis zwischen Plattform und kleinen Verkäufer*innen als vergleichbar mit dem zwischen Dro­gen­dea­le­r*innen und ihrer Kundschaft.

An dieser Stelle wurde auch deutlich, warum vor allem die ­demokratischen Abgeordneten auf neue gesetzliche Regelungen drängen. Ihre durchaus plausible Arbeits­hypothese ist, dass klassische ­Anti-Kartell-Gesetzgebung, die ohnehin schon zahnlos genug ist, nur sehr schwer auf die Digital­konzerne anwendbar ist. Deren Monopolstellung gründet schließlich weniger darin, mit einem Produkt einen Markt zu dominieren, sondern selber den Markt zu repräsentieren, also völlig willkürlich die Bedingungen, zu denen gehandelt wird, jederzeit zu ihren Gunsten anzupassen.

Jeff Bezos bestätigte entsprechende Nachfragen im Wesentlichen, ohne den Anschein zu erwecken, hier überhaupt eine Wettbewerbsverzerrung wahrzunehmen. Ob Alexa, das Smart-Home-System von Amazon, bei einer Produktsuche Eigenmarken des Konzerns bevorzuge, konnte oder wollte Bezos so zwar nicht als systematisch beabsichtigt dargestellt sehen, hielt eine solche Geschäftspraxis aber ganz beiläufig für plausibel und angemessen.

Dem geringsten Fragedruck sah sich Apple-Chef Tim Cook ausgesetzt. Tatsächlich kann er, anders als Zuckerberg, Pichai und Bezos, den Vorwurf einer im klassischen Verständnis marktbeherrschende Stellung glaubhaft zurückweisen. Nicht nur hat Apple kein Monopol, nicht einmal mehrheitliche Marktanteile in seinen Geschäftsfeldern können dem Konzern nachgewiesen werden. Die Abgeschlossenheit seiner Systeme jedoch bestimmt die Angriffslinie der Kritiker*innen. Dementsprechend konzentrierten sich die Fragesteller*innen auf den App-Store und die Behandlung der dort operierenden unabhängigen Web­ent­wick­le­r*innen und Softwarefirmen.

Während die anderen Befragten relativ häufig dahingehend auswichen, dass zu konkreten Fragen Antworten nachgereicht würden, zeigte sich Cook überaus detailliert informiert und bereit, direkt umfassend zu antworten. Direkt konfrontiert mit Indizien für die gezielte Benachteiligung von Konkurrenzprodukten zu Apple-Apps, zog sich jedoch auch der Apple-Chef auf vorgebliche Nichtkenntnis der Details bestimmter Vorgänge zurück.

Seine Geschäftspraxis hielt der Amazon-Chef ganz beiläufig für plausibel und angemessen

Dramatische Szenen blieben in der Sitzung aus, was auch der Anhörungssituation geschuldet sein mag. Cook, Zuckerberg, Pichai und Bezos waren per Videostream zugeschaltet. Gleich zu Beginn brach die Verbindung zu Bezos zusammen. Den offensichtlichen Witz, dass man vielleicht eine Konferenzsoftware der Anwesenden hätte benutzen sollen statt der von Wettbewerber Cisco, machte jedoch niemand.

Obwohl sich die Konzerne heftiger Kritik sowohl von demokratischer als auch republikanischer Seite ausgesetzt sehen, sind die Angriffspunkte unterschiedlich gelagert. Mögliche Kompromisse mit den Parteien werden also davon abhängen, wie sich die Mehrheiten in Abgeordnetenhaus und Senat gestalten werden und wer als Nächstes ins Weiße Haus einzieht.

Ob aber der US-Kongress mit dem Hebel traditioneller gesetzlicher ­Bestimmungen gegen Monopol­bildung die Macht der großen Internet­konzerne einschränken kann, ob politische Steuerung auch nur den Hauch einer Chance zu einer Regulierung des Plattform­kapitalismus ergreifen kann, wird die digitale Ökonomie auf Jahre ­beeinflussen. Gelingt die Regulierung nicht, war die Show nur ein bisschen Wahlkampfgetöse und wirklich nur fünf Stunden ver­geudeter Zeit.