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Mit Zelten für Bauwagen

Mit einem Camp im Rathausgarten protestierten Unterstützer*innen des linken Lüneburger Wohnprojekts „Unfug“ am Samstag gegen die Zwangsräumung. Anfang Juli müssen Haus und Bauwagen geräumt sein

„Der Verdacht liegt nahe, dass sie so unliebsame Aktivist*innen einschüchtern wollen“

Camp-Teilnehmerin

Von Michelle Bauermeister

Mitten in der Lüneburger Innenstadt standen am Samstag plötzlich Zelte. Im Rathausgarten hatten Aktivist*innen der Soligruppe „Kein Lüneburg ohne Unfug“ spontan ein Protestcamp errichtet. Dabei traten sie für eine „solidarische Stadt für alle“ mit „linken Freiräumen und emanzipatorischen Kämpfen“ ein, wozu auch der Erhalt des von der Räumung bedrohten linken Wohnprojekts Unfug e. V. zähle.

Zwölf Menschen, darunter zwei Kleinkinder, wohnen derzeit in einem Haus sowie in sechs Bauwagen auf einem Grundstück in der Konrad-Adenauer-Straße. Sie stehen kurz vor der Zwangsräumung. Am vergangenen Mittwoch scheiterte der Rechtsweg via Eilverfahren gegen die Anordnung der Stadt Lüneburg. Die letzte Hoffnung von Unfug, gegen ihre Räumung zu klagen, löste sich damit in Luft auf und die Bewohner*innen werden im Juli ihr Zuhause verlieren.

„Oberbürgermeister Mädge und die ihm unterstehende Stadtverwaltung schieben für die Räumung irrwitzige Gründe vor“, sagt eine Camp-Teilnehmerin. Der Verdacht läge nahe, „dass sie so unliebsame Aktivist*innen einschüchtern wollen, die sich vielfältig antifaschistisch und klimapolitisch engagieren“.

Die Versammlung sei von keiner Organisation oder Einzelpersonen veranstaltet worden, sondern beziehe sich auf „Ideen aus autonomen und anarchistischen Lebensweisen und Handlungsarten“, heißt es in der Pressemitteilung von Unfug. Die Aktion zeige, dass die „Stadt Lüneburg und insbesondere die SPD und ihr Bürgermeister Ulrich Mädge das Thema bezahlbarer inklusiver Wohn- und Freiraum per Räumungsverfügung“ nicht loswerde, heißt es auf deren Website.

Die Polizei vor Ort löste die Versammlung wenig später wegen Hausfriedensbruchs auf. Die Aktivist*innen der Soligruppe vermuten als Grund, dass „wir mit unserem Protest das Bild für Tourist*innen und das Image der Stadt gefährden“. Protest sei daher unerwünscht. Die Demonstrant*innen sollten auf Parkflächen außerhalb der Innenstadt ausweichen, hieß es seitens des Ordnungsamtes. Die Aktivist*innen räumten daraufhin gegen Mittag freiwillig den Rathausgarten und zogen mit einer spontanen Demonstration durch die Lüneburger Innenstadt. Eine offiziell angemeldete Mahnwache vor dem Rathausgarten sei von der Polizei zunächst regelrecht belagert worden, sagen die Aktivist*innen. Später sei die Polizei abgezogen und ein „Freiraum“ entstanden.

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