: Im Namen der Schönheit
CHIRURGIE Ein 46-Jähriger Arzt ist wegen Körperverletzung angeklagt, nachdem ihm mindestens vier Schönheitsoperationen missglückt sind
Bei Schönheitsoperationen kann viel schiefgehen: Brüste können hinterher unterschiedlicher aussehen als vorher, Gesichtsnerven können dauerhaft gelähmt bleiben, Bäuche können dellig statt flach geraten. Sowieso können sich alle zu verschönernden Körperteile nach missglückten Operationen in lebenslange Schmerzzonen verwandeln. Betrachtet man die Komplikationsrate aufs gesamte Leben, könne man sogar von hundert Prozent ausgehen, sagt Marita Eisenmann-Klein, Präsidentin des Weltverbands plastischer und ästhetischer Chirurgen. Sie wurde gestern als Sachverständige im Prozess wegen Körperverletzung gegen den Arzt Manuel H. gehört, dem zwischen April 2005 und Mai 2009 mindestens vier solcher OPs missglückt sein sollen.
Seit gestern sitzt der 46-Jährige auf der Anklagebank im Amtsgericht Tiergarten. In Süddeutschland arbeitet der gut aussehende Mann mit den grauen Schläfen in einer Gemeinschaftspraxis, für einige Zeit praktizierte er in Berlin. Vor vier Jahren habe er in Moldawien nach einer zweijährigen Ausbildung eine Facharztprüfung abgelegt, sagte er – allerdings lehnte es die Berliner Ärztekammer ab, diesen Abschluss anzuerkennen.
Doch auch ohne solchen durfte Manuel H. selbstständig operieren: Dies sei erlaubt, wenn nicht mehr als 15 Prozent der ärztlichen Tätigkeit in einem Fachgebiet geleistet wird, für das man keine fachärztliche Ausbildung hat, sagt Marita Eisenmann-Klein – mit Bedauern in der Stimme. Sie geht davon aus, dass mindestens jeder zweite Schönheitschirurg kein Facharzt ist. Sie selbst, sagt sie, habe sich nicht einmal nach sechsjähriger Facharztausbildung getraut, sich selbstständig zu machen.
Manuel H. dagegen plagten diese Skrupel nicht. In diversen Berliner Privatkliniken operierte er die Frauen, die ihn später anzeigten. Laut Anklage verzichtete er bei einer Patientin auf eine Bruststraffung und versuchte, die Brust mit enorm großen Implantaten zu verschönern. Bei der nächsten Patientin öffneten sich die Wundränder, sodass das Implantat fast herausfiel. Einer anderen wollte er einen Höcker auf der Nase korrigieren, durchbohrte aber versehentlich ihre Nasenscheidewand. Das Loch gilt nun als unkorrigierbar.
Alle Nebenklägerinnen monierten die mangelhafte Aufklärung über die Risiken. Die Vorwürfe lasten schwer auf dem Ruf und dem Geldbeutel des Angeklagten – das sieht und hört man, wenn der Angeklagte immer leiser werdend erklärt, er sei sich keiner Schuld bewusst. Der Prozess ist bis Mitte September angesetzt. Uta Eisenhardt
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