Popmusik und Eigensinn
York Schaefer
: Strotzend vonWortwitz und Zuspitzung

Foto: privat

Elfter September Ottersberg, Erzvorkommen Serbischer Ozean, Ernsthafte Sorgen Online – bei der Bremer Band „ESO“ geht es um verschiedenste musikalische Inkarnationen, die sich für jede neue Veröffentlichung auch in den grotesken Projektnamen widerspiegeln. Als „Füllhorn der Möglichkeiten“ beschreibt Instrumentalist und Sänger Eric Peters das Spektrum der Mitte 2018 gegründeten Formation, deren Sound zwischen Rock, Diskurs-Pop, Noise und krautig-sakralen Jams à la Popul Vuh mäandert – wahrscheinlich je nach Laune und Tagesform. „ESO“ sind eine vom Moment inspirierte Band, die mit naiver Unbekümmertheit und gleichzeitig konzeptionell daherkommt.

Ihr aktuelles Album „Die bunte Stunde“ basiert auf spontanen, gemeinsamen Bongo-Sessions, die sie vorerst mit dem Handy aufgenommen haben. Letztlich ist daraus eine Art Konzeptalbum mit 30 skizzenhaft-minimalistischen Songs und der exakten Spieldauer von 30 Minuten entstanden. Das „Selbstgespräch im Berghain“ ist nach nur 57 Sekunden beendet, im „Vogelpark Walsrode“ wird immerhin über 2:56 Minuten perkussiv geraschelt, freigeistig geklampft und dadaistisch gelallt.

Auch hier spielt die Sprache eine gewichtige Rolle, die Titel strotzen vor Wortwitz und satirischen Zuspitzungen gesellschaftlicher Zustände und Phänomene: „Rieslingrente“ und „Bubu-Bierchen“, „Jugend Borschtsch“ und „Grog gegen Rechts“, „Wüstenbrot“ und „Insolvenzseife“. Die Songs sind von roher Ungeschliffenheit, mehr oder weniger frei improvisiertes Material, versehen mit Ein- und Ausblendungen, oft ohne Anfang und Ende. Melodische, zuweilen fast tanzbare Eingängigkeit stehen neben harschen Dissonanzen. In Momenten fühlt man sich an die „Organic Tribal Body Music“ der ESP-Band „The Godz“ aus den 60er-Jahren erinnert, live klingt das auch mal nach dem schleppenden Krach von Bands wie den Berlinern „Mutter“.

Die Coronapause haben „ESO“ genutzt, um eine Art Quarantäne-Album aufzunehmen. Projekt-Arbeitstitel: „Einige Sind Obdachlos“, Genre: Deutschpunk. Neben Leuten der Bremer Band „Mercedes Jens“ sind auch Rapper wie Tightill und Doubtboy von Erotic Toy Records dabei.

„ESO“ verstehen sich als ein offenes Künstler- und Musikerkollektiv, drei der vier festen Bandmitglieder kommen aus dem Umfeld der Bremer Hochschule für Künste. So lohnt es sich auch, einen Blick in ihren Youtube-Kanal zu werfen, wo in der Serie „Das Kranhaus“ bei allem Chaos und verstrahltem Spaß drei konzeptuelle Kon­stanten vorherrschen: Krankenhaus, Arbeitsamt und bizarre Verwandlungen.