Steffen Grimberg Flimmern und Rauschen: Menschen vertrauen den Medien wieder, dank Transparenz
In der Coronakrise sind die Medien staatsnah bis zum Abwinken. Das Netz und die sozialen Medien lösen ohnehin die etablierten Nachrichtenquellen von Zeitung bis TV ab und bei einschlägigen Demonstrationen bekommt die „Lügenpresse“ auf die Mütze.
Als Journalist*in sollte man vielleicht allmählich ans Auswandern denken. Auslandskorrespondent*in in Peking wäre doch was.
Muss man aber gar nicht. Denn wie die gerade veröffentlichte aktuelle Ausgabe der „Langzeitstudie Medienvertrauen“ der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität zeigt, haben die Menschen noch jede Menge Vertrauen in die Medien.
43 Prozent der Befragten geben an, man könne den Medien „voll und ganz“ oder zumindest „eher“ vertrauen, „wenn es um wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale“.
Dieser Wert ist seit 2016 stabil, war auch in den früheren Jahrzehnten nie wirklich höher und fiel 2015, dem Jahr der Debatte über Flucht, deutlich niedriger aus. Bei extremen Meinungen und Positionen ist sogar eine Entspannung erkennbar.
Dem Statement, die Öffentlichkeit werde „von den Medien systematisch belogen“, widersprechen 58 Prozent der Bevölkerung – ein Anstieg von 7 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahlen stammen übrigens noch aus dem Jahr 2019.
Die Coronakrise ist hier also noch nicht berücksichtigt worden.
Die dürfte noch einen zusätzlichen positiven Effekt auf das Vertrauen vor allem bei den etablierten Medien haben. Das legt jedenfalls der neue „Digital News Report“ des Reuters Institute for the Study of Journalism (RISJ) nahe. In dieser ebenfalls jährlich erscheinenden internationalen Bestandsaufnahme wurden bestimmte Angaben während des weltweiten Lockdowns noch einmal erhoben.
Und siehe da: Rund 60 Prozent der Befragten gaben an, der medialen Berichterstattung eher zu vertrauen. Social Media schmiert dagegen ab: „Das Vertrauen in klassische Medien lag mehr als doppelt so hoch wie das in soziale Netzwerke, Video-Plattformen oder Messenger-Dienste“, so die Zusammenfassung des an der Universität Oxford beheimateten Instituts.
Das dürfte auch daran liegen, dass sich die Medien seit der Pandemie viel stärker als sonst in die Karten schauen lassen. Weil der übliche Normalbetrieb nicht mehr ging, musste notgedrungen erklärt werden, wie die alltägliche Arbeit in den Medien jetzt läuft.
Überraschung – die Menschen finden es gut. Sie dürfen und müssen wissen, wie beispielsweise Redaktionen arbeiten. Dazu passt auch der Buchtipp, mit dem die Mitbewohnerin gerade um die Ecke kam: „Tagesschau und Co. – wie Sender und Redaktionen Nachrichten machen“.
Vielleicht sollte ARD, ZDF & Co. einfach mal die erste Auflage aufkaufen und auf den einschlägigen Demos verteilen. Und vorher vielleicht auch mal selbst lesen.
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