heute in hamburg
: „Millionen haben mitgehetzt“

Foto: Ulrike Schmidt

Andreas Speit, 54, ist taz-Autor und Schriftsteller. Er hat an 20 Büchern über Rechtsextremismus mitgewirkt.

Interview Maike Krob

taz: Herr Speit, warum gibt es keine linken Egoshooter?

Andreas Speit: Linke Positionen sind nach und nach weggedrängt worden. Es hat Kampagnen gegeben von Rechten im Internet, um feministische Positionen zu verdrängen. Frauen sind dort massiv angegangen worden, wenn sie auf Sexismus oder Rassismus in der Gamerszene aufmerksam gemacht haben.

Wer ist der „rechte Egoshooter“?

Das Persönlichkeitsprofil ist gekennzeichnet von Personen, die jung sind. Meistens haben diese keine festen Beziehungen, auch keine festen Partnerschaften. Die berufliche Situation ist unterschiedlich. Aber festzustellen ist, dass sie alle einen enormen Hass gegen Frauen haben. Dieser ist verbunden mit einem Judenhass, der eine lange Tradition hat. Die ideologische Substanz hat eine Historie, die bis in das 17. Jahrhundert hineingreift.

Wann wird dieser Hass zu Terrorismus?

Uns war erst mal wichtig herauszuarbeiten, dass wir es mit einem neuen Tätertyp zu tun haben. Wann dieser sich radikalisiert, ist unglaublich schwer einzuschätzen. Deswegen warnen wir davor, das als einzelnes Internetphänomen abzutun. Hier kommt es eben auch darauf an, wie sich das soziale Umfeld ausgestaltet.

Sind Egoshooterspiele ein Vorbild für Täter?

Lesung von Andreas Speit: „Rechte Egoshooter – Von der virtuellen Hetze zum Livestream-Attentat“, online ab 20 Uhr, rote-flora.de/veranstaltung/

Wer spielt, wandert nicht gleich nach rechts. Aber in den letzten Jahren haben sich international gerade junge Männer vernetzt und dann konkret radikalisiert. In diesem Kontext muss man sagen, dass sich einige der rechten Terroristen tatsächlich dort sozialisiert und radikalisiert haben. Diese haben dann versucht, ihre Taten durch Livestreams weltweit publik zu machen. Viele sind deswegen zu Helden in ihrem Milieu geworden. Weil man live verfolgen konnte, wie sie Menschen angegriffen und ermordet haben. Sie werden dafür gefeiert.

Stecken Organisationen hinter den einzelnen Tätern?

Tatsächlich wissen wir von den aktuellen Tätern, die in den USA, in Norwegen und in Deutschland gemordet haben, dass sie nicht in festen Organisationen eingebettet gewesen sind. Aber sie sind fest integriert gewesen in Hassgruppen und sozialen Netzwerken. Daher sagen wir, dass sie einzeln gehandelt haben, aber kollektiv aufgehetzt worden sind. Kurz gesagt: Ja, einer hat geschossen, aber Millionen haben mitgehetzt.