Massive Versäumnisse

Opferanwälte zur Loveparade-Katastrophe vor zehn Jahren

Zehn Jahre nach der Duisburger Loveparade-Katastrophe haben Opferanwälte den Behörden massive Versäumnisse bei der Aufklärung der Tragödie vorgeworfen. „Am Ende steht grenzenlose Enttäuschung“, erklärten die Rechtsanwälte Gerhart Baum und Julius Reiter am Donnerstag in Düsseldorf. Der frühere FDP-Bundesinnenminister Baum und Reiter vertreten 80 Hinterbliebene und Opfer des Unglücks.

Die Enttäuschung richte sich „mehr oder minder an alle, die für Aufklärung zuständig waren – an die Gerichte, die Staatsanwaltschaften, aber auch die Polizei und in geringerem Maße auch an die Politik“, betonten die Anwälte. „Die eigentlich Verantwortlichen standen nicht vor Gericht“, konstatieren sie. Und es sei ein Fehler der Justiz, „sich nicht noch stärker auf das Verwaltungsversagen der Stadt Duisburg konzentriert zu haben“.

Bei der Loveparade in Duisburg waren am 24. Juli 2010 durch ein tödliches Gedränge am Zugangsbereich 21 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 650 Menschen verletzt worden. Wegen der Katastrophe wurden sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier des Loveparade-Veranstalters vor Gericht gestellt. Das Landgericht Duisburg stellte den Strafprozess am 4. Mai endgültig und ohne Urteil ein, weil die Angeklagten nur eine geringe individuelle Schuld treffe.

Alle Widerstände und Bedenken gegen die Loveparade in Duisburg seien von der Verwaltung „niedergebügelt“ worden, kritisierten Baum und Reiter. „Bis zum Schluss setzten sich die Verantwortlichen über die erheblichen Sicherheitsbedenken in ihrer eigenen Verwaltung hinweg.“ Duisburgs damaliger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) sei seinerzeit abgetaucht – „ein klassisches Organisationsversagen“.

Zehn Jahre nach der Tragödie müsse der auf fünf Millionen Euro aufgestockte Nothilfefonds für die Opfer „mit Leben erfüllt und weiter ausgebaut werden“, forderten die beiden Anwälte. Eine zuletzt vom nordrhein-westfälischen Landtag geforderte Kommission solle nicht nur Konsequenzen für künftige Großveranstaltungen ausarbeiten: Aus Anlass des Fehlverhaltens der Duisburger Stadtverwaltung müssten Verhaltensregeln entwickelt werden, nach denen die Mitglieder einer Verwaltung, die rechtlich begründete Bedenken geltend machen, auch gehört werden.

„Eines lässt sich dadurch nicht ungeschehen machen: ein erheblicher Ansehensverlust der Justiz“, erklärten die Opferanwälte. „Die Mahnung des Vorsitzenden Richters an unsere Mandanten, ‚es doch jetzt mal gut sein zu lassen‘, hat diese tief verletzt.“ (afp)