die woche in berlin
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Die Berliner Comedian İdil Baydar hat – wie zuvor linke Politikerinnen – ein Drohschreiben mit persönlichen Daten erhalten. Der Bau der Gigafactory von Tesla-Chef Elon Musk nimmt immer groteskere Züge an. Und der Wissenschaftsrat macht sich viele Gedanken zur Neuordnung der altehrwürdigen Stiftung Preußischer Kulturbesitz – aber nicht zu den dafür nötigen Finanzen.

Korpsgeist austreiben und aufklären

Polizeidaten landeten auch in Drohschreiben nach Berlin

Während Innenminister Horst Seehofer (CSU) sich weigert, Studien über Rassismus in der Polizei durchzuführen, landen weiter persönliche Daten von Polizeicomputern in rechtsextremen Drohschreiben. Das ist maximal beunruhigend. Wie sollen Opfer rassistischer Gewalt der Polizei vertrauen, wenn Polizist:innen ihre persönliche Daten abgreifen und sie an Neonazis durchstechen oder gar gleich selbst Drohschreiben verfassen?

Selbst Hessens CDU-Innenminister Peter Beuth schließt mittlerweile ein rechtes Netzwerk in seiner Polizei nicht mehr aus. Immer wieder waren dort Drohbriefe mit „NSU 2.0“ unterschrieben und enthielten persönliche Daten, die von hessischen Polizeicomputern stammen. Vor allem die Frankfurter Rundschau berichtet darüber hartnäckig. Mittlerweile führen Spuren aus Hessen auch nach Berlin.

Nachdem seit 2018 die NSU-Nebenklageanwältin Seda Başay-Yıldız mehrere solcher Drohschreiben erhielt, traf es vor Kurzem auch die hessische Linken-Politikerin Janine Wissler. Und voriges Wochenende bekam auch Berlins Linken-Fraktionsvorsitzende Anne Helm einen mit „NSU 2.0“ unterschriebenen Drohbrief.

Helm steht mindestens seit 2013 auf rechten Feindeslisten, persönliche Daten hätte das Schreiben auch enthalten – allerdings stammten die laut Helm eher aus einer Ausspähung ihres Wohnumfelds durch Rechtsextremist:innen – eine Methode, die das Neonazi-Netzwerk der Anschlagsserie in Neukölln schon länger nutze. In dieser Woche wurde zudem bekannt, dass auch die Berliner Comedian İdil Baydar Drohschreiben mit persönlichen Daten erhalten hat. Diese wurden ebenfalls von einem hessischen Polizeicomputer in Wiesbaden abgerufen.

Es ist ein Skandal, dass es erst Jour­na­list:innen braucht, um Vorgänge wie diesen aufzudecken. Fälle wie dieser zeigen erneut, dass etwas grundsätzlich faul ist in der Polizei. Im Zweifel ermitteln Kolleg:innen alibimäßig gegeneinander, decken sich vor Gericht und leben einen Korpsgeist, mit dem sich die Polizei nach außen abschottet. Auch deswegen landen nur zwei Prozent aller Verfahren gegen Polizist:innen vor Gericht. Und genau deswegen braucht es endlich externe Strukturen mit eigenen weitreichenden Ermittlungsbefugnissen, die außerhalb von Kumpaneien zwischen Staatsanwaltschaften und Polizei bei Missständen in den Sicherheitsbehörden ermitteln können.

Daneben braucht es in Berlin endlich einen Untersuchungsausschuss, um die vielen offenen Fragen im Neukölln-Komplex zu klären – insbesondere warum die Ermittlungen seit Jahren ins Leere laufen und den Sicherheitsbehörden bekannte Opfer nicht vor Anschlägen gewarnt wurden.

Auch in Neukölln gab es Verbindungen zwischen mutmaßlichen Rechtsterroristen der Anschlagsserie und der Polizei. Der Berliner Polizist Detlef M. aus dem benachbarten Polizeiabschnitt Treptow lieferte offenbar interne Informa­tionen an eine Telegram-Chatgruppe der AfD. In der war auch einer der Hauptverdächtigen der Anschlagsserie von Neukölln.

Gareth Joswig

Alle Schalter auf Erfolg

In Grünheide baut Tesla schon. Ganz ohne Baugenehmigung

Der Bau der Tesla-Monsterfabrik – pardon: Gigafactory – in Grünheide nimmt immer groteskere Züge an: Wo sich noch vor ein paar Monaten Zehntausende märkische Kiefern drängten, werden schon Fundamente gegossen, und in Kürze sollen sich die ersten Gebäude erheben. Das Unternehmen von Milliardär Elon Musk, das sich den straffen Zeitplan gegeben hat, schon im Juli 2021 die ersten Elektro-SUVs mit dem Label „Made in Brandenburg“ zu verkaufen, drückt auf die Tube.

Der Witz dabei: Weder für die Rodung von knapp hundert Hektar Forst noch die Planierung des Bodens noch die Fundamentarbeiten und auch nicht für die baldigen Rohbauten gibt es eine Baugenehmigung. Kann es auch nicht geben, weil das Bundesimmissionsschutzgesetz bei Projekten dieser Größenordnung ein umfangreiches Beteiligungsverfahren vorsieht. Das läuft und wird seinen Höhepunkt erst im September mit einem öffentlichen Erörterungstermin erreichen.

Allerdings macht Tesla auch nichts Verbotenes: Genutzt wird die legale Möglichkeit der „Zulassung vorzeitigen Maßnahmenbeginns“, für die bereits vier Anträge gestellt wurden. Grünes Licht gibt es in solchen Fällen dann, wenn „gute Aussichten“ auf die Gesamterlaubnis bestehen. Das trifft in diesem Fall nicht nur laut Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) zu. Die PolitikerInnen in der Region überstürzen sich ob der kommenden Autofabrik entweder mit Jubelarien – oder Schweigen. Zu groß ist die Angst, als Verhinderer dazustehen.

Dabei hat Musk eigentlich nicht das Zeug zum Traum-Schwiegersohn deutscher Mitte-links-Regierungen: Von all seinen Extravaganzen und überambitionierten High-Tech-Projekten (Weltraumtourismus, bemannte Rohrpost usw.) mal abgesehen, handelt es sich natürlich auch um einen knallharten Kapitalisten. Was letztens deutlich wurde, als Musk sich mit den kalifornischen Behörden anlegte, die die Arbeit in seinem Werk in Fremont zwecks Pandemieeindämmung gestoppt hatten. Der Chef wütete, so ein Lockdown sei „Faschismus“, und drohte mit dem Abzug des Headquarter aus dem Bundesstaat und seinen Angestellten: Wer nicht am Fließband erscheine, müsse mit Abzügen rechnen.

Hörte man da irgendeinen Mucks von Minister Steinbach oder seiner grünen Amtskollegin Ramona Pop? Natürlich nicht. Hier sind längst alle Schalter auf Erfolg umgelegt. Bald werden ja auch die Fördermillionen fließen, die Tesla schon bei der Brandenburger Investitionsbank ILB eingereicht hat. Diesmal, nach all den Desastern mit Cargolifter, Chipfabrik und Co, muss es klappen!

Dass die kleine Bürgerinitiative GGG (Grünheide gegen Gigafactory) die längst begonnene Ansiedlung verhindern kann, ist also, na ja, unwahrscheinlich. Gut aber, dass die AnwohnerInnen und NaturschützerInnen die richtigen Fragen stellen: etwa die nach dem Impact der geplanten Pfahlgründungen auf das Grundwasser. Dass man viele tausend Betonpfeiler von der Höhe eines dreistöckigen Hauses in den Sand rammen wollte, hatte Tesla erst gar nicht erwähnt. Jetzt steht es (als abgespeckte Variante) in den Unterlagen.

Vorzeitige Pfahlgründungen hat das in Sachen Tesla handzahme Brandenburger Umweltministerium abgewendet. Denn wenn Tesla doch keine Genehmigung bekommen sollte oder wenn Musk eines Morgens twittert, er habe beschlossen, sein „Model Y“ doch nicht Deutschland, sondern in der Ukraine zu bauen, muss alles wieder in den Ursprungszustand versetzt werden. Und das könnte heiter werden. Claudius Prößer

Zum Thema Geld gibt’s keine Empfehlung

Stiftung Preußischer Kultur- besitz: Zeit für eine Neuordnung

Monika Grütters würde den größten Brocken schlucken. Die hervorragend bewerteten Einrichtungen Staatsbibliothek, Geheimes Staatsarchiv und Ibero-Amerikanisches Institut sollen, so empfiehlt es der von ihr eingesetzte Wissenschaftsrat zur Evaluierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), künftig zu ihrem Haus gehören. Die Staatlichen Museen zu Berlin (SMB), der Problembär der Stiftung, sollen bei deren Auflösung – nicht „Zerschlagung“, wie die Leiterin der Arbeitsgruppe des Wissenschaftsrats, Marina Münkler, bei der Pressekonferenz am Montag betonte – dagegen weiterhin nach dem Muster der Preußenstiftung organisiert werden.

Neu wäre nur ein Intendant oder eine Intendantin statt des Generaldirektors, und neu wäre, dass das Geld nur noch vom Bund und vom Land Berlin käme. Die bislang mitfinanzierenden Länder möchte der Wissenschaftsrat – und hier hört man die Beauftragte des Bundes für Kultur und Medien ganz deutlich soufflieren – vor die Tür setzen. Wer hier wohl nicht souffliert und auch jetzt nichts dazu zu sagen hat, ist just das geforderte Land Berlin. Kultursenator Klaus Lederer ist im Urlaub.

Von seiner Seite aber möchte man schon was hören. Denn Berlin und seine Museen gewinnen nicht bei der vorgeschlagenen Reform. Zunächst kann man sich bessere Lösungen vorstellen, als fünfzehn ganz unterschiedlich aufgestellte Museen plus einem Staatlichen Institut für Musikforschung unter einem Dach zu versammeln. Dann aber hieße die Personal- und Budgetaufstockung, die zu empfehlen es nun wirklich keinen Wissenschaftsrat, sondern nur ein politisch unbelastetes Urteilsvermögen braucht, dass der bisherige Etat der SMB von 360 Millionen Euro mindestens verdoppelt werden müsste. Nur dann können die Museen ihren Aufgaben effektiv nachkommen, sei es im Besucher­service, im Vermittlungs-, Bildungs- und Forschungsauftrag, der Digitalisierung und der Sammlungstätigkeit.

Zu Geld und Finanzierung freilich kamen vom Wissenschaftsrat keine Empfehlungen, weder zu den Summen noch zu den Quellen, aus denen geschöpft werden soll. Warum eigentlich nicht? Gehört die Tatsache, dass die SPK eben keine klassische mit Eigenkapital ausgestattete und damit autonome Stiftung ist, nicht zu den Strukturen, die evaluiert werden müssen? Und damit eine Empfehlung herausfordern?

Mit ihrer prüden Enthaltsamkeit, was das Geld betrifft, sind die Empfehlungen des Wissenschaftsrats schon jetzt Makulatur – auch wenn sie elektronisch abgerufen werden. Brigitte Werneburg

Denn Berlin und seine Museen gewinnen nicht bei der vor- geschlagenen Reform

Brigitte Werneburgüber das Gutachten des Wissenschaftsrats, das eine Neuordnung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz empfiehlt