Irlands neue Regierung: Koalition der Angst
Zwei Traditionsparteien und die Grünen vereint gegen die linke Sinn Féin: Denn nur so können sie wie gewohnt weiterwurschteln.
I rland hat eine neue Regierung. Es ist eine Koalition der Angst. Die beiden etablierten Parteien fürchteten die Veränderungen, die eine Regierungsbeteiligung von Sinn Féin mit sich gebracht hätte. Man hätte sich dann wohl nicht mehr länger lukrative Pöstchen untereinander zuschanzen können.
So macht man nun – mit Komplizenschaft der Grünen – weiter wie gehabt. Für die Minister und die Abgeordneten geht es um die Wiederwahl. Beim irischen Wahlsystem gibt es keine Liste als Sicherheitsnetz, man muss vom Volk direkt gewählt werden. Irische Politik ist deshalb vor allem Lokalpolitik. Geht es dem Wahlkreis gut, geht es auch dem Abgeordneten gut. Man verzeiht ihm Bestechlichkeit, wenn dabei für den Wahlkreis ein neues Schwimmbad oder ein Fußballplatz abfällt.
Natürlich ist im Regierungsprogramm auch Geld für das Gesundheitswesen und den Wohnungsbau vorgesehen – wie in jedem Programm der vergangenen zwanzig Jahre. Es wurde jedoch nie etwas draus. Mit dem Gesundheitswesen ist es kontinuierlich bergab gegangen, und die Wohnungsnot in Dublin hat sich Jahr für Jahr verschärft. Stattdessen stehen Geistersiedlungen in Gegenden, wo niemand hinwill – weil Bankiers, Politiker und Bauunternehmer damit reich wurden.
Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die neue Regierung etwas ändern wird. Das durch Corona angehäufte Defizit wird als Ausrede dafür dienen, die sozialen und grünen Ziele hintanzustellen. Die Grünen werden – wie bisher alle kleinen Koalitionspartner – bei den nächsten Wahlen in der Versenkung verschwinden.
Doch dann könnte es anders werden. Sinn Féin gewann bei den Wahlen die meisten Stimmen, was sich nicht ausreichend in Sitzen niederschlug, weil man nicht genügend Kandidaten aufgestellt hatte. Diesen Fehler macht die Partei kein zweites Mal. Darüber hinaus ist eine Reihe von kleinen sozialistischen Parteien erstarkt. So könnte es erstmals eine ernst zu nehmende linke Alternative geben. Bis dahin heißt es: durchhalten.
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