Verdächtiger gefasst

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Die britische Polizei hat gestern einen der vier mutmaßlichen Attentäter verhaftet, die vergangenen Donnerstag in London drei U-Bahnen und einen Bus sprengen wollten. In den frühen Morgenstunden stürmte eine Anti-Terror-Einheit eine Wohnung in Hay Mills im Osten Birminghams und nahm den 24-jährigen Yasin Hassan Omar, der aus Somalia stammt, fest. Dabei setzten die Beamten eine Elektroschock-Waffe ein.

Omar, der die Bombe im U-Bahnhof Warren Street gelegt hat, soll bei seiner Festnahme einen Rucksack getragen haben. Bei der Hausdurchsuchung wurde ein Päckchen gefunden, das möglicherweise Sprengstoff enthielt. Mehr als hundert Anwohner wurden evakuiert. In seiner Nachbarschaft war Omar als Extremist bekannt, der öffentlich die Terroranschläge vom 11. September guthieß.

Außerdem wurden gestern sechs weitere Männer verhaftet. Die Festnahmen sollen „in direktem Zusammenhang“ mit den Anschlägen stehen, bei denen vor einer Woche lediglich die Zünder der Bomben explodierten, sodass niemand verletzt wurde. Eine fünfte Bombe, die in einem Gebüsch in Little Wormwood Scrubs gefunden wurde, sei von der gleichen Bauart wie die anderen vier Bomben, bestätigten forensische Experten gestern. Deshalb vermutet die Polizei. Es gebe also einen fünften Attentäter. Kurz nach Omars Verhaftung nahm die Polizei drei weitere Männer in einem benachbarten Viertel Birminghams fest. In der Nacht zuvor wurden zwei Männer im Zug von Newcastle im Norden Englands nach King’s Cross in London verhaftet. Gegen Mittag sperrte die Polizei vorübergehend den Luftraum über dem Londoner Flughafen Luton und hielt einen Mann fest, der ein Flugzeug nach Frankreich besteigen wollte, ließ ihn später jedoch wieder frei. Er habe einem Attentäter geähnelt, erklärte die Polizei. Fünf weitere Männer werden seit Anfang der Woche im Londoner Hochsicherheits-Polizeirevier Paddington Green verhört.

Ob all diese Verhaftungen aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung erfolgten oder ob forensische Spuren zu den Männern führten, ist ungewiss. Es wird viel spekuliert in diesen Tagen, vieles hat sich später als falsch herausgestellt. So ist Naveen Fiaz, ein 29-Jähriger, der nach der ersten Anschlagwelle vor drei Wochen in einem islamischen Buchladen in Leeds festgenommen wurde und zehn Tagen ohne Anklage festgehalten wurde, wieder freigelassen worden. Magdi al-Nashar, der ägyptische Biochemiker von der Universität Leeds, der in Kairo unter dem Verdacht verhaftet wurde, die Bomben vom 7. Juli gebaut zu haben, die 56 Menschen töteten, ist unschuldig, wie sich inzwischen herausgestellt hat. Und der Mann, der bei der Verhaftungswelle in Pakistan als „Mastermind“ hinter den Londoner Anschlägen bezeichnet wurde, ist nicht Haroon Rashid Aswat, wie die Geheimdienste zunächst geglaubt hatten.

Die Polizei kennt bisher nur zwei der Attentäter vom vergangenen Donnerstag: Neben Omar, der seit 1992 in Großbritannien lebt und im vorigen Jahr einen britischen Pass erhielt, ist es Muktar Said Ibrahim alias Muktar Mohammed Said, der 27 Jahre alt ist und aus Eritrea stammt. Die Terroristen hatten 24 Stunden Zeit, bevor die Polizei ihre Fotos veröffentlichte. Sicherheitsexperten befürchten, dass sie nach den fehlgeschlagenen Anschlägen in ihre Wohnung in Nord-London zurückgekehrt sind und sich mit Sprengstoff eingedeckt haben. Darauf deuten Spuren im Curtis House hin, in dem Said und Omar mehrere Monate gewohnt haben.

Die britische Regierung erklärte, dass Verdächtige künftig 28 Tage statt wie bisher nur 14 ohne Anklage festgehalten werden dürfen. Die Polizei hatte drei Monaten gefordert. Die Anwältin Cherie Booth, Ehefrau von Premierminister Blair, warnte davor, bürgerliche Freiheiten im Namen der Terrorbekämpfung zu unterminieren.