Kahlschlag bei Karstadt Kaufhof

Der von der Coronakrise gebeutelte Konzern will mit 62 fast jede dritte Filiale schließen. 6.000 Mitarbeiter sind bundesweit betroffen. Führung spricht von Schritt ohne Alternative. Nun auch kleinere Einzelhändler in Gefahr

Bald gehen vielerorts die Lichter aus: Karstadt-Filiale in Berlin Foto: Karsten Thielker

Von Sandra Röseler

Für die Sanierung opfert Galeria Karstadt Kaufhof fast ein Drittel seiner Filialen. Das gab die Gewerkschaft Verdi am Freitag nach Verhandlungen mit dem Unternehmen bekannt. Demnach will der auch von der Coronakrise gebeutelte Konzern 62 seiner 172 Filialen in Deutschland schließen, auch etwa 20 der 30 Geschäfte von Karstadt Sports sind laut Reuters betroffen.

Um welche Standorte es genau geht, stand zum Redaktionsschluss nicht offiziell fest. Allein in Berlin stehen laut Informationen von Verdi allerdings sechs von elf Filialen vor dem Aus. In Schleswig-Holstein sollen mit Ausnahme des Standorts Kiel alle 5 Häuser geschlossen werden, in Niedersachsen und Bremen 6. Insgesamt sind deutschlandweit rund 6.000 der 28.000 Mitarbeiter betroffen. Am Donnerstagabend hatten sich Unternehmen, Betriebsrat und Verdi auf einen Sozialplan für die Beschäftigten geeinigt. Sie werden für sechs Monate in eine Transfergesellschaft übernommen, wo sie sich qualifizieren sollen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) forderte den Warenhauskonzern dazu auf, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Eigner und Gläubiger seien „in der Pflicht, keine radikalen Abbaupläne zu verfolgen“. „Die Entscheidung trifft die Menschen hart, ihnen wird die Existenz unter den Füßen weggerissen“, kritisierte Stefanie Nutzenberger von Verdi. Die Gewerkschaft wolle „für den Erhalt der Standorte kämpfen“. Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen.

Für die Konzernführung ist die Schließung der Filialen dagegen der einzige Weg, um das Unternehmen zu retten. Der Schritt sei „ohne Alternative“, sagte der Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz am Freitag. Wegen der Coronapandemie hatte Galeria Karstadt Kaufhof Anfang April ein Schutzschirmverfahren eröffnen müssen – es gilt als Vorstufe zur Insolvenz. Bis 2022 rechnet der Konzern mit einem Minus von bis zu 1,4 Milliarden Euro. Ursprünglich hatte die Geschäftsführung sogar mit bis zu 80 Filialschließungen gerechnet. Die Schließungen sind Teil eines Sanierungsplans, für den die Kette auch über Mietnachlässe verhandelt. Offenbar konnten dadurch einige Filialen gerettet werden. In der Krise sind die Warenhäuser jedoch auch wegen des Booms des Onlinehandels seit Langem: Erst 2019 hatte die österreichische Signa-Holding alle Häuser von Karstadt und Kaufhof in einer neuen Firma vereint.

„Es ist ein weiterer Kahlschlag“, sagte Norbert Portz vom Deutschen Städte- und Gemeindebund der taz. Er befürchtet, dass der Konzern viele kleinere Einzelhändler mit in den Abgrund ziehen könnte. „Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren bis zu 50.000 Einzelhandelsstandorte wegfallen könnten.“ Um einen Leerstand in den Innenstädten zu verhindern, komme es jetzt darauf an, über die Nachnutzung der Karstadt- und Kaufhof-Filia­len zu verhandeln.