Türkei und Tunesien bleiben außen vor

Trotz Hygienesiegel und TÜV-Überprüfung kommt fast keiner aus Europa

Zwei Paraglider über der Ostsee Foto: Kacper Kowalski/Panos

Von Mirco Keilberth

Die ersten deutschen Urlauber sind mit großer medialer Begleitung und großem Bahnhof auf den Balearen eingetroffen, während sich an der griechisch-bulgarischen Grenze und der zu Dänemark lange Schlangen bilden. Die deutsche Urlaubskarawane hat sich in Bewegung gesetzt.

Doch nicht alle beliebten Ferienhochburgen stehen auf der Öffnungsliste der Bundesregierung. Länder wie die Türkei und Tunesien sind darauf zum Beispiel nicht zu finden – und sind darüber verärgert. Denn für mehr als 160 Staaten außerhalb der EU hat die Bundesregierung die Reisewarnung bis zum 31. August verlängert.

Außenminister Maas betont zugleich, dass die Reisewarnungen und -hinweise der Bundesregierung nur eine Empfehlung und keine Vorschrift seien. „Die Verantwortung für eine Reise, die trägt jeder selbst.“ Die Türkei, die den Flugverkehr nach Deutschland bereits wieder aufgenommen hat, befürchtet dennoch, dass die Gäste aus Deutschland in diesem Sommer nicht kommen werden. Schon in den ersten vier Monaten des Jahres kamen nach offiziellen Angaben um die Hälfte weniger Touristen als im Vorjahr.

Eine Hoffnung bleibt: Unter bestimmten Bedingungen kann es laut Maas Ausnahmeregelungen geben. Das hänge unter anderem von den Infektionszahlen und dem Zustand des jeweiligen Gesundheitssystems zusammen. Doch rund zwei Wochen nach Aufhebung einiger Corona-Restriktionen in der Türkei nimmt die Zahl der Neuinfektionen wieder zu. Der Chef der türkischen Ärztevereinigung (TTB), Sinan Adıyaman, kritisierte, dass die Lockerungen verfrüht gewesen seien.

Flugverkehr

Die TAP fliegt wieder, Portugals nationale Fluglinie will Passagiere im Juli für unter 100 Euro von Deutschland nach Lissabon bringen und zurück. Auch Ryanair kündigt an, ab Juli 40 Prozent des Flugbetriebs wiederaufzunehmen (1.000 Flüge täglich) Die Lufthansa fliegt zig Ziele wieder an, ebenso Easyjet.

Flugrechte

Spätestens 7 Tage nach der Streichung des Fluges muss die Airline dem Kunden das Geld fürs Ticket zurückzahlen – es sei denn, der Fluggast gibt sich mit einem Gutschein oder einer Umbuchung zufrieden. So sagt es das europäische Fluggastrecht. Alle Versuche der Bundesregierung, die Rechte der Fluggäste als Corona-Opfer für eine vermeintliche Rettung der Fluglinien zu verhökern, sind in Brüssel an der EU-Kommission gescheitert.

Strategien für Kunden

Kunden sind in der Auseinandersetzung mit Lufthansa und Co in einer privilegierten Situation. Wer Besitzer des Tickets eines gestrichenen Fluges ist und keinen Gutschein angenommen hat, hat ab dem Jahresende noch drei Jahre Zeit, dieses Geld zurückzufordern. Die Kunden können selbst an die Fluglinie schreiben: Musterschreiben gibt es auf www.finanztip.de.

Schlichtungsstellen

Es gibt die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Nahverkehr, kurz SÖP. Kunden können sie einschalten, wenn die Fluglinie sich stur stellt. Außerdem gibt es sogenannte Fluggasthelfer, Firmen mit Juristen, die als Inkassobüro für den Kunden versuchen, das Geld bei der Fluglinie zurückzuholen. Gute Fluggasthelfer sind Compensation2go, EUFlight und Flightright.

Hermann Josef Tenhagen ist Chefredakteur des gemeinnützigen Verbraucher-Rat­gebers Finanztip und taz-Vorstand.

Die Bundesregierung steht darüber im engen Dialog mit der türkischen Regierung. „Wir werden das Woche für Woche überprüfen“, so Maas. Ankara erwartet indes, dass Deutschland die Reisewarnung „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ aufhebt, wie der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu gegenüber dem Spiegel erklärte. Alles sei vorbereitet für eine sichere Reise in die Türkei. Die von seinem Land ergriffenen Maßnahmen würden unter anderem vom TÜV Süd überprüft.

Auch Tunesien hofft trotz der bestehenden Reisewarnung durch die Bundesregierung auf eine baldige Rückkehr deutscher Touristen. „Wir haben mit einigen europäischen Ländern Gespräche aufgenommen, um ihnen unsere Maßnahmen und die Gesundheitssituation zu erklären“, sagt der tunesische Tourismusminister Mohamed Ali Toumi.

Tunesien hat angesichts geringer Corona-Neuinfektionen erklärt, die Grenzen zum 27. Juni wieder für Reisende öffnen zu wollen. Am 30. Juni soll der erste Eurowings-Flieger in Tunis landen, im Juli werden auch die Flughäfen von Djerba und Monastir wieder angeflogen. Das nordafrikanische Land ist auf die Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen, 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird von der Tourismusbranche erwirtschaftet.

Es werde alles unternommen, um allen Gästen einen sicheren Aufenthalt zu ermöglichen, so der Minister. Dazu zählt auch ein neues Hygienesiegel unter dem Namen „Ready and Safe“. Das Siegel und die dahinter stehenden Normen seien für alle touristischen Akteure in Tunesien verpflichtend. Die Regeln folgen dabei den Hygiene- und Präventionsvorgaben der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Heiko Maas, Außenminister

Mit Einstellung des Flug- und Fährverkehrs sowie der landesweiten Ausgangsbeschränkungen hatte Tunesien schon zu Beginn der Coronapandemie versucht, frühzeitig gegenzusteuern. Das Resultat war erstaunlich. Kaum mehr als 1.000 Infektionen wurden offiziell bestätigt, 982 konnten als genesen wieder entlassen werden. Aktuell werden 19 Patienten in Krankenhäusern behandelt, 49 Menschen starben. Auch wenn die Dunkelziffer weit höher als die offizielle Statistik sein dürfte, die Katastrophe blieb aus.

Masken sind in der Öffentlichkeit zwar noch Pflicht, doch bei den sommerlichen Temperaturen fällt es den meisten schwer, sich daran zu halten. Am vergangen Wochenende gab Tunesiens Regierung bekannt, zu welchen Bedingungen Touristen einreisen dürfen. Wer einen aktuellen negativen Coronatest vorweisen kann, darf direkt in sein Hotel fahren und sich frei im Land bewegen. Auch am Flughafen soll ein Schnelltest durchgeführt werden können, den man in seinem Zimmer abwarten muss. Während des Aufenthaltes in Tunesien folgt ein zweiter Coronatest, um wieder in die EU einreisen zu können.

Der Chef des Verbands der Hoteliers, Khaled Fakhfakh, findet die Regelung zu kompliziert. Er glaubt, dass vor allem die 60 Euro für das Screening vor der Abreise, die einige Reiseveranstalter verlangen, viele Pauschalurlauber davon abhalte, nach Tunesien zu kommen. Dem Radiosender Mosaique FM sagte er, dass der internationale Tourismus dadurch stark einbrechen werde: „60 Prozent der Hotels droht die Pleite.“