Nach dem politischen Nein kommt das kulturelle Ja

Das transeuropäische Wanderschiff Le Oui liegt in Bremen vor Anker, begleitet von einem interkulturellen Festival

bremen taz ■ Manfred Schulze ist stolz: Am Europatag ist er Vater geworden. Der 5. Mai ist Feiertag der Europaratsgründung, beliebtes Hochzeitsdatum und war in diesem Jahr auch Vatertag. Doch was hat Europa mit der Vaterschaft Manfred Schulzes zu tun – und wer ist das überhaupt?

Seit Wochen fiebern Schulze, seine französische Freundin Nathalie und Baby Henri einem Ereignis entgegen: der Ankunft der Le Oui in Bremen. Morgen ist es soweit, und Schulzes Pläne vom „ungezwungenen deutsch-französischen Kulturaustausch“ können in Erfüllung gehen. Das „transeuropäische Wanderschiff“ hat vor 15 Monaten den Hafen der südfranzösischen Stadt Gallicians verlassen, um die neuen EU-Länder auf dem Wasserweg zu erkunden. Der Name des Schiffs ist Programm, es soll das „Ja“ zu Europa verdeutlichen, obwohl die Mehrheit der Franzosen die EU-Verfassung ablehnt. An Bord des Schiffs sind die zwei Brüder Renaud und Brice Berthoud und eine Crew, die alle vier Wochen wechselt und sich aus Freunden aller Ländern bildet. Einer von ihnen ist Manfred Schulze, der zur Ankunft von Le Oui in Bremen ein dreitägiges Festival organisiert hat.

Los ging die Euro-Tour auf Flüssen am 1. Mai 2004, pünktlich zur EU-Osterweiterung. Seitdem passierte das Hausboot, wie man es von der Kelly Family kennt, Paris, Wien, Budapest, Bratislava, Krakau und Berlin. Dabei fährt es nie schneller als zehn Kilometer pro Stunde. Die slowenischen Karpatenmassive überquerte die Crew mit Lastwagen. Im November führte in Polen die Weichsel zu wenig Wasser, die Schleusen waren wegen Eises geschlossen, und Le Oui musste bis April zwangspausieren. So verzögerte sich die Ankunft, denn eigentlich wollten die Seefahrer schon im Januar in Bremen andocken.

Optimismus herrschte nicht nur beim Zeitplan vor: Auch die Finanzierung wackelte, als das Boot schon startklar war. Von der EU gab es keine Fördergelder, die Fahrt wird privat und von Sponsoren getragen. Die Begleitprogramme in den Zwischenhäfen bestritt die Équipe du Oui oftmals alleine, musikalisch und kulinarisch. Ein Weinhändler stattete die Crew mit Cuvée aus, der nun verkauft wird. Am Bremer Holzhafen werden zudem Bands spielen und maritime Miniaturen gebastelt.

Gefeiert wird rund um das Hafen Casino beim Speicher XI und den learnlounge-Container im Schuppen III. Diese Lernwerkstatt hatte Manfred Schulze ursprünglich eingerichtet, um Jugendlichen ohne Schulabschluss ein Forum zu geben, Fähigkeiten unkompliziert und kostenfrei auszutauschen. Jetzt werden hier Faltschifffalter hergestellt und ein „Infopoint Transeuropa“ eingerichtet.

Was klingt wie die neue Single von Kraftwerk, ist aus einer langen Tradition geboren, die Renaud Berthoud so erklärt: „Europa ist nicht nur das Europa von Straßburg und Brüssel, sondern beruht auf dem Austausch zwischen den Völkern und Kulturen. Die Wasserwege offenbaren sich als Symbole der Kommunikation.“ Robert Best

Infos und Programm: www.learnlounge.de, Auftakt des Festivals heute 20 Uhr beim Hafen Casino