das portrait
: Gewerkschafterin Megan Murray wird von Amazon-Tochter gefeuert

Foto: privat

Megan Murray aus Philadelphia ist hardcore – und avanciert gerade zur Held*innenfigur. Dies jedoch anders als sich das ihre bisherige Arbeitgeberin, die Amazon-Tochterfirma Whole Foods, vorgestellt hatte. „Hardcore“ und „hero“ ließ die US-amerikanische Bio-Supermarktkette im April auf die Uniformen ihrer Mitarbeitenden drucken, um die harte Arbeit unter Coronabedingungen anzuerkennen.

Jetzt, in der sich noch zuspitzenden Krise, hat Whole Foods sich aber wenig solidarisch gezeigt und die 22-jährige Murray gefeuert. Zuvor hatte Murray dagegen protestiert, dass die Leitung ihrer Filiale in der Altstadt von Philadelphia kostenlos Essen an Polizist*innen verteilte, die bei den Demos nach dem Mord an George Floyd eingesetzt waren. Und früher, zu Beginn der Pandemie, hatte Murray kritisiert, wie unzureichend die Supermarktarbeiter*innen vor einer Covid-19-Infektion geschützt sind. „Es fühlt sich an, als ob wir in den Krieg eingezogen worden wären“, schrieb das Mitglied der gewerkschaftlichen Basisgruppe Whole Worker, damals im kritischen Nahrungsmittelmagazin The Counter. Zwei Jahre hatte Murray zuvor schon in der Filiale an der South Street gearbeitet. „Jetzt, da Supermarktmitarbeiter*innen sterben, meinen wir im Team, dass es sich nicht lohnt, für 17 Dollar möglicherweise unser Leben zu riskieren.“ Also versuchte Murray, Mitarbeitende dazu zu bewegen, sich am 31. März und am 1. Mai den US-weiten Streikaktionen bei Whole Foods und Amazon anzuschließen. Für höhere Löhne und besseren Schutz. Doch der Arbeitskampf kostete Murray den Job.

Whole Food wie auch Amazon sind bekannt für ihren Antigewerkschaftskurs. Im April wurde öffentlich, dass Whole Foods eine landesweite Karte über das „Risiko“ von Organisierungen in Filialen pflegt. Im Jahr 2018 ließ die Firma ein Antigewerkschaftsvideo unter den Filialleiter*innen verbreiten. Auch die Mutterfirma Amazon, einer der größten Coronagewinner weltweit, entlässt in der Krise Arbeiter*innen, die sich organisieren. Der Afroamerikaner Christian Smalls ist nur ein besonders prominenter Fall.

Der letztendliche Grund für Murrays Entlassung war aber offenbar der Aufruf, den sie und vier weitere Kolleg*innen privat über die sozialen Medien verbreitet hatten. „Sagt dem Whole Foods Markt: Kein Essen für Cops“ steht darin und die Nummer des Kundencenters. Allein Murray aber, die Gewerkschafterin, wurde schließlich entlassen. Dies entbehrt nicht der Ironie, denn Whole Food hatte zuvor in E-Mails an die Angestellten die Mutterfirma Amazon dafür gepriesen, im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste mit einer 10-Millionen-Dollar-Spende Organisationen zu unterstützen, die „für soziale Gerechtigkeit arbeiten und die Leben von Schwarzen und Afroamerikaner*innen verbessern“. Ironisch ist aber auch, dass gerade das Bekanntwerden ihrer Entlassung die Gewerkschaftsbewegung vorantreibt.Stefan Hunglinger

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