„Die Lehre ist, dass man wach bleiben muss“

Lutz Hübner schrieb für das Gorki Theater das Stück zum Skandal: „Bankenstück: Das Geld, die Stadt und die Wut“. Der Theaterautor recherchierte ein Jahr in Sachen Bankenskandal. Nun ist er froh, dass es endlich zum Prozess kommt

taz: Als Sie 2003 für Ihr Bankenstück recherchierten, trafen Sie auch Klaus Landowsky. Wie hat er auf Sie gewirkt?

Lutz Hübner: Er hatte eine sehr gefilterte Wahrnehmung der Realität, gepaart mit einer idealistischen Argumentation. Sozusagen: Die Stadt ist doch auch nach vorne gekommen. Diese Ansicht ist ja möglich, wenn man bestimmte Fakten ausblendet.

Versteht Landowsky, weshalb er angeklagt wird?

Wir sprachen natürlich auch über die CDU-Parteispende von Aubis, da räumte er ein, es sei ein Fehler gewesen. Seine Position ist aber letztendlich, dass er nicht schuld ist. Es sei schließlich alles für die Stadt gewesen. Es gibt bei ihm kein Schuldbewusstsein, wie man es erwartet, wenn man alles objektiv betrachtet.

Trotz der Stimmung gegen ihn kam er ins Gorki. Hat Sie das beeindruckt?

Ja, ich fand es sehr gut, dass er mit uns reden wollte. Er konnte sich ja denken, dass wir das Thema sehr kritisch behandeln. Das finde ich mutig und couragiert.

Wofür steht dieser Bankenskandal, und was sagt er über die Gesellschaft aus?

Die Grenzen der Interessen von Politik und Wirtschaft verwischen sich, das hat dieser Skandal beispielhaft illustriert, wenn Subsysteme entstehen und Kontrollmechanismen fehlen. Wahrscheinlich gab es das gleiche Phänomen bei der WestLB. Das geht meist einher mit großem Realitätsverlust, da sich alles unter Luftabschluss abspielt. Und letztlich zeigt er, dass bis hinauf in die höchsten Spitzen eine überraschende Inkompetenz herrscht.

Was erwarten Sie von diesem Strafprozess?

Es ist symbolisch wichtig, dass die jetzt mal alle auf der Anklagebank sitzen. Was schief ging und wie der Filz aussah, der um Landowsky entstand, ist ja längst bekannt. Wichtig ist, dass dieser Prozess überhaupt stattfindet. Insbesondere nach dieser Reihe von Zivilprozessen, die teilweise sehr unbefriedigend ausgegangen sind.

Kann ein Prozess so etwas wie Genugtuung schaffen?

Leider ist das Thema schon ein bisschen untergepflügt. Schade, dass der Prozess jetzt erst geführt wird, die Wahrnehmung hat sich bereits abgeschwächt. Es wäre natürlich besser für das Vertrauen in Justiz und Politik gewesen, wenn der Prozess schon vor zwei Jahren stattgefunden hätte. Oder man zumindest gewusst hätte, er wird stattfinden.

In Ihrem Theaterstück sagt jemand: „So viel Schuld – und kaum ein Schuldiger?“ Welche Lehre ziehen Sie daraus?

Das sind sowieso alles Gauner, in so einer Frustration sollte man keinesfalls versacken. Resignation hilft nie. Im Gegenteil: Die Gefahr nach solchen Skandalen ist ja die Erosion des Vertrauens in Politik, das hat meist gefährliche Folgen. Die Lehre ist, dass man sich einbringen und wach bleiben muss. Jeder muss auf seine Art eine Kontrollfunktion ausüben.

INTERVIEW: A. WOLTERSDORF