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Lieber Werbung als Evidenz

Während Bremen ein Cannabis-Modellprojekt starten will, fördert die Drogenbeauftragte der Bundesregierung eine Social-Media-Kampagne für Prohibition

Influenzen auf jeden Fall: CannabisPflanzen Foto: Abir Sultan/dpa

Von Benno Schirrmeister

Es geht nicht ums Geld, nicht bei der Summe, schlappe 60.000 Euro. Wohl aber spielt für Kirsten Kappert-Gonther, gesundheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag, eine Rolle, wie Daniela­ Ludwig (CSU), die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, ihren kleinen Etat einsetzt. Am 29. Mai hatte die nämlich den Startschuss zu ihrer Anti-Cannabis-Kampagne gegeben und Kappert-Gonther findet: Mit dem dafür notwendigen Geld „sollte sie lieber ein Cannabis-Modellprojekt in Bremen fördern“.

Bremen weniger, weil Kappert-Gonther da nun mal zufällig ihren Wahlkreis hat, sondern, weil der Landtag gerade erst beschlossen hat, so einen sozialmedizinischen Versuch durchzuführen – falls der Bund ihn genehmigt. Das gilt zwar als unwahrscheinlich, schließlich hat das Land Berlin gerade erst ein vergleichbares Projekt verboten bekommen. Es würde aber mindestens dazu passen, dass die Kampagne mal was Neues probiert: Sie kommt ohne Papier und Plakatwände aus und bespielt Kanäle wie Instagram oder Youtube. Ihr Claim „Mach dich schlau!“ wirkt im Vergleich zu ihren Vorgänger*innen geradezu neutral, denn die hatten versucht, junge Menschen als „besoffen, verstrahlt, bekifft, verpeilt“ anzusprechen oder den Kampf-Slogan „Fuck Drugs!“ zu popularisieren.

Auch sollen die Influencer*innen, die man als Botschafter*innen gewinnen will, nicht auf Inhalte festgelegt werden, beteuert der Gründer der mit deren Rekrutierung beauftragten PR-Agentur, Kay Lübbers. „Die bekommen kein Skript mit Preis-Tag dran“, sagt er, das würde gar nicht funktionieren. „Das geht nur mit einem gewissen Maß an Kontroll­verlust“. Und überhaupt: „Es ist keine Anti-Cannabis-Kampagne.“

Ob seine Auftraggeber*innen, also die Drogenbeauftragte und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA), das genauso sehen, war gestern nicht abschließend zu klären. Das vor 14 Tagen präsentierte Konzept, gibt die BZGA zu bedenken, befinde sich „derzeit in der Feinabstimmung“ und noch seien daher „keine Antworten auf Fragen zu inhaltlichen Details“ möglich.

Fest steht indes, dass trotz innovativem Ansatz der Appell der Kampagne nur für die Adressat*innen gilt. Mit eigenen Erkenntnissen rechnet man nämlich vorsichtshalber nicht: „Eine gesonderte Evaluation der Social-Media-Kampagne ist jenseits der Reichweitenmessung nicht geplant“, beantwortet Sabine Weiss, Staatssekretärin des Gesundheitsministeriums, eine einschlägige Anfrage. Fest steht nur, dass man den Insta-Stars insgesamt 30.480 Euro überweisen will. An wen die gehen, steht auch noch nicht fest. „Es gibt einen Pool“, sagt Lübbers,

„Wir wissen aus der Präventions-forschung, dass solche Kampagnen auch neugierig machen können“

Kirsten Kappert-Gonther, Grüne

„Ich unterstelle Daniela Ludwig gute Absichten“, sagt Kappert-Gonther. „Aber wir wissen aus der Präventionsforschung, dass solche Kampagnen auch neugierig machen können.“ Während die Prävalenz-Studien aus Deutschland, wo der Cannabis-Handel noch immer illegal ist, einen bedrückenden Anstieg der Zahlen junger Konsument*innen verzeichnen, sinkt gerade deren Anteil in Ländern mit liberaler Drogenpolitik – weil in konzessionierten Läden eine Abgabe mit Alterskontrolle möglich ist. Wenn es also wirklich um Prävention und Jugendschutz gehe, wäre die Fortsetzung der Prohibition grundverkehrt, so die Einschätzung der grünen Gesundheitspolitikerin Kappert-Gonther. „Nur wenn der illegale Markt ausgetrocknet wird, ist echter Jugendschutz möglich.“

Ein Modellprojekt könnte diese Annahme erhärten oder erschüttern. Und der Bremer Vorstoß wäre „die Gelegenheit für Gesundheitsministerium und Drogenbeauftragte zu erklären, wie müssen die Bedingungen sein, um ein solches Projekt durchzuführen, wenn man wirklich ernsthaft an Erkenntnis interessiert ist“, so Kappert-Gonther. „Das aber bezweifle ich.“

Gestützt auf Erkenntnisse aus Portugal, Kanada und Colorado, wo Entkriminalisierung den Konsum und seine Folgeprobleme gemindert hat, hat sich Bremens Regierung für einen Liberalisierungskurs entschieden. Nachdem ein erster Vorstoß 2017 im Bundesrat gescheitert war, hat nun der im vergangenen August gewählte rot-grün-rote Senat die Ausmaße der Strafverfolgung eingedämmt: Seit April wird der Besitz von bis zu 15 Gramm Cannabis nicht mehr verfolgt.

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