Emissionen sinken wie nie zuvor

Durch die Coronakrise ging der CO2-Ausstoß zeitweise um 17 Prozent zurück. Doch der langfristige Effekt ist offen

Flugzeuge bleiben am Boden, Fabriken drosseln die Produktion, KundInnen bleiben zu Hause: Was für die Wirtschaft einen großen Einbruch brachte, ist fürs Klima eine gute Nachricht. Die Coronapandemie hat die weltweiten CO2-Emissionen so stark sinken lassen wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Eine im Magazin Nature veröffentlichte Analyse von Wissenschaftlerinnen der Universitäten Norwick und Stanford kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass die CO2-Emissionen in den ersten vier Monaten etwa 9 Prozent geringer waren als im Schnitt des Vorjahres. Am deutlichsten war der Rückgang am 7. April, als 17 Prozent weniger CO2 produziert wurde als an einem durchschnittlichen Tag des Vorjahres.

Die Analyse beruht nicht auf realen Messungen, sondern auf einer Erhebung, welchen Klimaeffekt einzelne Lockdown-Maßnahmen haben und über welche Zeiträume in einzelnen Ländern welche Maßnahmen ergriffen wurden. Regional wurden die meisten Emissionen in China eingespart, wo es schon seit Beginn des Jahres starke Einschränkungen gab, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen, gefolgt von den USA und der EU. Den stärksten prozentualen Rückgang gab es beim Luftverkehr, wo die Verringerung der Emissionen zum Höhepunkt der Pandemie auf 60 Prozent geschätzt wird. Beim Landverkehr gingen sie um bis zu 36 Prozent zurück, in der Industrie um 19 Prozent und in Kraftwerken um 7 Prozent. Vor allem im Transportsektor zeige sich, wie stark politische Vorgaben und Verhaltensänderungen die Emissionen kurzfristig beeinflussen können, schreiben die AutorInnen.

Wie stark der Rückgang im Gesamtjahr sein wird, hängt davon ab, wie lange und in welchem Umfang die Beschränkungen in Kraft bleiben, wie schnell sich die Wirtschaft danach wieder erholt und inwieweit es Nachhol­effekte gibt. Für Deutschland erwartet der Thinktank Agora Energiewende bei den Emissionen in diesem Jahr einen coronabedingten Rückgang von 4 bis 12 Prozent. Das deutsche Ziel, die Emissionen bis Ende 2020 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu verringern, wird damit, anders als lange erwartet, sicher erreicht. Global schätzen die WissenschaftlerInnen in ihrer Nature-Analyse den Rückgang für 2020 auf 4 bis 7,5 Prozent. Zum Vergleich: Durch den Wirtschafts­einbruch in Folge der Finanzkrise sanken die Emissionen im Jahr 2009 um 1,5 Prozent.

Die Zahlen sind einerseits beeindruckend; andererseits zeigen sie auch, wie groß die Herausforderung wird, den Klimawandel zu stoppen: Der massive Rückgang durch Corona hat die Emissionen in den ersten Monaten 2020 nur auf das Niveau des Jahres 2006 gesenkt. Um den globalen Temperaturanstieg bis 2100 sicher auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen die Emissionen in den kommenden Jahrzehnten jeweils in der gleichen Größenordnung sinken, wie sie es zuletzt getan haben.

Malte Kreutzfeldt