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berliner szenenZeckentag in der Apotheke

Wenn die Apotheke als Notfall­apotheke geöffnet ist, muss die Tür geschlossen bleiben. So erklärt es mir die Apothekerin aus Rixdorf entschuldigend. Das sei keine neue Maßnahme wegen Corona. Sie dürfen also nur das Notdienstfenster nutzen, sagt sie dann und versucht nun durch dieses kleine Fenster zu erkennen, ob das, was ich auf dem Hals habe, ein Zeckenbiss sein könnte.

Ich selbst konnte die Stelle im Spiegel nicht gut sehen. „Ja, da ist was“, sagt die Apothekerin. „Am besten gehen Sie morgen zum Arzt. Das ist gefährlich, denn wenn die Zecke infiziert ist, dann könnte sie bei Ihnen …“ Ich unterbreche sie. Ich verspreche ihr, zum Arzt zu gehen, bitte sie aber, mir trotzdem eine Zeckenkarte oder eine Pinzette zu verkaufen. „Wenn es aber schiefläuft und was drinbleibt, ist nicht gut“, warnt sie. Ich solle es nicht alleine versuchen. „Mache ich nicht. Ich frage meine Nachbarin“, antworte ich rasch, aus Angst, dass sie mir mit minutiös ausgemalten Bildern beschreiben könnte, was mit den Körperteilen der Zecke unter der menschlichen Haut so alles passieren kann.

„O. k.“, sagt sie und ich atme aus. Sie verschwindet hinter ihrer Holztheke und fragt von dort, ob ich die Karte oder die Pinzette möchte. „Beide“, rufe ich durchs Fenster. „Beide?“, höre ich nach kritischen Sekunden des Schweigens. „Für die Zukunft“, beruhige ich sie. „Na gut“, sagt sie. Sie kassiert ab und erwähnt, als würde sie mir einen Vorwurf machen, dass jetzt die Karten ausverkauft sind. „Es waren schon drei Leute vor Ihnen mit dem gleichen Problem.“

Sie zuckt mit den Achseln und lächelt zum ersten Mal. „Sonntags ist es immer komisch, wenn ich im Dienst bin. Es gibt Verletzungstage, Vergiftungstage. Heute ist definitiv so ein Zeckentag“, sagt sie. So hätte er auch meine Erinnerung geprägt, wäre es wirklich eine Zecke gewesen. Luciana Ferrando

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