piwik no script img

US-Athleten gegen RassismusMehr als nur schöne Worte

Colin Kaepernick, Vorkämpfer im US-Sport gegen Rassismus, will Opfern vor Gericht mit einem Fonds helfen. Als Footballer bleibt er ohne Anstellung.

Kaepernick 2016 im Gespräch mit seinem Kritiker Drew Brees, Quarterback der New Orleans Saints Foto: ap

Die Proteste von Sportlern gegen rassistische Gewalt in den USA nehmen von Tag zu Tag zu. Der Mann, der die Protestbewegung im Sport losgetreten hat, ist allerdings noch immer ohne Vertrag. Obwohl Colin Kaepernick nach dem außergerichtlichen Vergleich mit der National Football League im vergangenen Jahr wieder zur Verfügung steht, wartet er vergeblich auf Angebote. Die NFL könnte eigentlich ein Zeichen setzen, indem sie Colin Kaepernick nun mit einem Vertrag ausstatten würden.

Die Organisation selbst kann dies natürlich nicht veranlassen. Einer der 32 Klubbesitzer müsste sich dazu entschließen. Sie könnten zeigen, dass sie ihren jüngsten Bekenntnissen zum Antirassismus auch Taten folgen lassen wollen.

Kaepernick selbst, der im August 2016 erstmals ein Zeichen gegen Rassismus setzte, und sich während des Abspielens der Nationalhymne hinkniete, hat sich vorerst nicht in die Debatte eingemischt. Er war zuletzt damit beschäftigt, einen Fonds ins Leben zu rufen, um die Gerichtskosten derjenigen zu decken, die bei den Protesten verhaftet worden sind. Auf Twitter schrieb er dazu: „Wenn man sich auflehnt, gibt es immer Vergeltung. Wir müssen zu unseren Freiheitskämpfern stehen.“ Der Mann, der als Quarterback der San Francisco 49ers am 1. Januar 2017 sein letztes Spiel bestritt, spricht eindeutig aus Erfahrung.

Der Quarterback ist im American Football nicht nur der zentrale Spieler einer Mannschaft, er ist in der Regel auch der uneingeschränkte Boss. Er ist die Schaltstelle zwischen Trainer und Team. Dass andere Spieler sich offen gegen ihren Quarterback stellen, ist deshalb eher selten. Doch in der vergangenen Woche konnte Malcolm Jenkins, der Safety der New Orleans Saints, nicht mehr an sich halten und postete ein vier Minuten langes Video, in dem er seiner Enttäuschung über seinem Teamkollegen und Quarterback Drew Brees Luft machte.

Taub und unsensibel

Vorangegangen waren Bemerkungen seines Mannschaftskapitäns in einem Interview, dass er das Knien beim Abspielen der Nationalhymne noch immer nicht als legitime Form des Protests gegen Polizeigewalt betrachte. „Ich werde niemals mit jemandem übereinstimmen, der unserer Fahne keinen Respekt zollt.“

In seiner Antwort musste Jenkins mit den Tränen kämpfen. „Wir hören von der ganzen Welt, dass wir nichts wert sind“, sagte Jenkins, der Schwarz ist. „Aber wenigstens von den Leuten, mit denen wir Schulter an Schulter jede Woche in die Schlacht ziehen, wollen wir das nicht hören.“ In einer Woche, in der das ganze Land gegen Rassismus auf die Straße ging, schien Brees’ Bemerkung eigenartig taub und unsensibel.

So produzierte am Donnerstagabend eine Gruppe Schwarzer NFL Profis ein Video, das klar Solidarität mit der „Black Lives Matter“-Bewegung bekundete und den Tod von George Floyd anprangerte. Am Freitag zog dann sogar der Ligachef Roger Goodell nach und entschuldigte sich dafür, dass die Liga 2018 das Knien verboten hat. „Wir haben unrecht gehabt und wir ermutigen jegliche Form des friedlichen Protests“.

Drew Brees sah sich plötzlich isoliert, unterstützt nur noch durch Tweets von Donald Trump, der sich verdutzt fragte, ob Goddell nun das Knien tatsächlich erlaube. Am Freitag entschuldigte Brees sich dann: „Wir dürfen die Fahne nicht mehr dazu benutzen, von dem Schmerz abzulenken, den unsere Schwarzen Communities spüren.“

Wir wollen keine Entschuldigungen, wir wollen Wiedergutmachung

Bürgerrechtler Al Sharpton

Malcolm Jenkins akzeptierte die Entschuldigung seines Mannschaftskameraden und dankte ihm dafür, dass er zugehört habe. Und somit schien es am Samstag, als stehe nun die gesamte Football Liga hinter den Protesten. „Ich glaube Brees war noch in einer Zeit verhaftet, in der man sich hinter der Fahne verstecken konnte“, merkte der Sportjournalist Davei Zirin an. Nun habe auch er aufgeholt.

So scheint es jetzt so, als habe der Kulturwandel in den USA auch die konservativste aller Profi-Ligen erreicht, deren Publikum zu einem Großteil weiß ist und nicht aus den großen urbanen Zentren an den Küsten stammt. Nach einem jahrelangen Schlingerkurs hat die National Football League sich im Zuge der Massenproteste endlich dazu durchgerungen, sich eindeutig gegen Rassismus zu stellen und seinen Spielern das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuräumen.

Doch viele sind noch immer skeptisch. Dave Zirin sieht Goodells Lippenbekenntnis parallel zum „woke marketing“ der Werbeindustrie, die begriffen hat, wo vor allem die jüngere Zielgruppe steht und versucht sie dort, mit sozialen Themen anzusprechen. „Solange das nicht mit konkreten Taten verbunden ist, bedeutet das Nichts.“ So sagte der Bürgerrechtler Al Sharpton auf Goddells Video: „Wir brauchen keine leere Entschuldigung. Ihr habt das Leben eines Mannes zerstört. Wir wollen keine Entschuldigungen, wir wollen Wiedergutmachung.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare