Corona statt Karneval der Kulturen: Bis nächstes Jahr beim Karneval!
Afghanistan interkulturell wollte beim Karneval der Kulturen dabei sein. Hier schreiben die jungen Geflüchteten, wie sie mit dessen Absage umgehen.
Es war am Tag des Karnevals der Kulturen 2019. Wir, Pashtane Ahmadzio und Zahra Morowat, zwei junge afghanische Frauen, waren mit mehreren Freundinnen verabredet, um den Straßenumzug der vielen Gruppen unterschiedlichster Nationalitäten aus der Nähe zu erleben.
Menschen aus aller Herren Länder zogen an diesem Tag durch die Straßen von Kreuzberg. Sie trugen fantastische Kostüme und tanzten auf oder zwischen den bunt geschmückten Wagen. Musik aller Art war zu hören, Darbietungen waren zu sehen, es gab alles, was uns fröhlich machte und unsere Sorgen vergessen ließ.
Pashtane Ahmadzio, Zahra Morowat und Ahmad Wali Temori sind die Teamleiter*innen der Gruppe Afghanistan interkulturell. Wali Temori war 2018 Praktikant der taz.berlin
Wir waren begeistert von so vielen schönen Auftritten von Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern. Voller Sehnsucht und Vorfreude erwarteten wir eine Gruppe aus unserer afghanischen Heimat. Doch wir wurden enttäuscht. Als der Straßenumzug nach einigen Stunden vorüber war, stellen wir fest: Wir hatten uns umsonst gefreut. Kein Mensch aus unserem Land hatte am Umzug teilgenommen.
Das machte uns traurig. Wir begannen zu recherchieren und fanden heraus, dass noch nie eine Gruppe aus Afghanistan am Karneval der Kulturen teilgenommen hatte, seit es dieses Fest in Berlin gab. So entwickelte sich bei uns die Idee, dafür zu sorgen, dass das in Zukunft anders wird. Wir meinten, dass auch unsere Berliner Community am jährlichen Fest teilnehmen sollte.
Wir knüpften Kontakte und begegneten jungen Leuten aus Afghanistan, die offenbar auf den gleichen Gedanken gekommen waren wie wir. Wir schlossen uns zusammen und arbeiteten auch gemeinsam an den Vorbereitungen. Plötzlich gab es viel zu tun: Alle hatten ja noch andere Verpflichtungen wie Beruf, Studium, Ausbildung.
Der Karneval Seit 1996 zieht der Karneval der Kulturen jährlich zu Pfingsten durch Kreuzberg – als Statement gegen Rassismus und Ausgrenzung.
Kein Karneval Der 25. Karneval der Kulturen musste in diesem Jahr wegen Corona abgesagt werden. In einer Pressemitteilung des KdK heißt es: „Die Befürchtung, dass die kulturelle Vielfalt nach der Coronapandemie nicht mehr in der Form bestehen wird wie bisher, ist mehr als berechtigt. Den langjährigen Aufbau einer reichhaltigen, diversen, vielfältig beeinflussten Kulturlandschaft als Ausdruck einer freien, pluralistischen Gesellschaft sehen wir akut gefährdet. Grenzen werden geschlossen, die Zahl rassistischer und antisemitischer Übergriffe steigt in der Krise, Rechte erobern wieder öffentliche Räume.“
Karneval online! rbb-online.de und radioeins.de streamen am Pfingstsonntag ab 14 Uhr Impressionen aus 24 Jahren Karneval der Kulturen.
Zeit war ein wichtiger Faktor geworden, wenn alle Vorbereitungen gründlich und pünktlich getroffen werden sollten. Denn wir alle sind junge Menschen, die in den letzten Jahren als Geflüchtete nach Berlin gekommen sind. Und wir alle sind uns der Verantwortung gegenüber unserer heimatlichen Kultur genauso bewusst wie unserer Verantwortung gegenüber der deutschen Kultur und Gesellschaft. In diese Gesellschaft wollen wir uns integrieren und einbringen.
Wir sind überzeugt davon, dass es zur Integration gehört, wenn wir unsere Tänze zeigen, unsere Lieder singen und in unseren fantastischen traditionellen Kleidern den Karneval der Kulturen noch bunter und eindrucksvoller machen können. Wir sind mit viel Vorfreude und Motivation an die Arbeit gegangen. Wir haben uns auf Theater- und Tanzübungen fokussiert und zwei Wochen lang mit der Unterstützung eines amerikanischen Dramaturgen intensiv gearbeitet. Unsere Motivation wuchs von Tag zur Tag. Wir haben viel erreicht.
Dann hat ein Virus unsere Pläne und unsere Vorfreude zerstört. Das war für alle eine Enttäuschung. Aber als entschieden wurde, dass der Karneval der Kulturen dieses Jahr nicht stattfindet, haben wir beschlossen, dass unsere Arbeit nicht umsonst gewesen sein soll.
Wir wollen im nächsten Jahr erneut versuchen, dabei zu sein. Wir werden die Erfahrungen, die wir als Gruppe in diesem Jahr gemacht haben, dabei anwenden können.
Wir halten uns an die Coronaregeln und die Hygienestandards, sind geduldig und hoffen auf ein gutes Ende der Krise. Und wir wissen: Unsere Angehörigen in Afghanistan haben es deutlich schwerer, mit der Pandemie umzugehen.
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