Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Ein alter Mann liegt im Sterben und reist nochmals an den Anfang seines Lebens zurück: In Edgar Hilsenraths berühmtem Roman „Das Märchen vom letzten Gedanken“ scheint im Moment des Todes noch einmal die Geschichte eines ausgelöschten armenischen Dorfes in Anatolien auf. Ein Märchenerzähler führt den letzten Gedanken des sterbenden Thovma Khatisian an Lebensspuren seines Vaters Wartan entlang und macht ihn zum Zeugen und Opfer des Pogroms an den Armeniern im Jahr 1915. Im Ballhaus Naunynstraße nun, wo man sich immer wieder an Konfliktstoffe wagt, hat der Berliner Filmemacher mit kurdischen Wurzeln, Miraz Bezar, gemeinsam mit der ehemaligen Schaubühnedramaturgin Irina Szodruch den Roman für die Bühne bearbeitet, den Beraz jetzt inszeniert. Irina Szodruch hat wie auch der Kostümbildner Amit Epstein bereits mit Yael Ronens mutigem deutsch-israelisch-palästinensischen Projekt „Dritte Generation“ Erfahrungen im Umgang mit gordisch-verknoteten historischen Stoffen gesammelt. Premiere ist Donnerstag. Im Sommer starb Jürgen Gosch mitten in der Arbeit an seiner Inszenierung der Bacchen des Euripides, von Roland Schimmelpfennig neu übersetzt. Im Gedenken an ihn gab es bei den Salzburger Festspielen, wo die Inszenierung herauskommen sollte, eine szenische Lesung des unvollendet gebliebenen Abends, die morgen nun im Berliner Ensemble zu erleben ist. „Die Heimaterde soll dir leicht sein“ heißt eine performative Lesung, die dem vor einem Jahr tödlich verunglückten FPÖler Jörg Haider gewidmet ist – am Samstag am neuen Spielort des Theaterdiscounters in der Klosterstraße vom steirischen Wahlberliner Christoph Theußl arrangiert. Standesgemäß findet sie nach der Aufführung von Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ dort statt.

■ „Das Märchen vom letzten Gedanken“: Balhaus Naunyn, ab Do.

■ Bacchen des Euripides: Berliner Ensemble, Mi.

■ „Die Heimaterde soll dir leicht sein“: Theaterdiscounter, Sa.