das portrait
: Wiebke Kirleiserforscht, was Gesellschaft wandelt

Darf sich über Forschungsgelder freuen: Wiebke KirleisFoto: Jirka Niklas Menke/CAU

„Wir wollen verstehen, welche Faktoren maßgeblich waren, um gesellschaftlichen Wandel anzustoßen“, sagt Wiebke Kirleis. Das kann schon erstaunen: Gesellschaft, im Munde geführt von einer Biologin. Nun ist die Professorin für Umweltarchäologie (Archäobotanik) in Kiel aber auch – neben dem Archäologen Johannes Müller – eine von zwei Sprecher*innen eines ausdrücklich interdisziplinären Sonderforschungsbereiches namens „TransformationsDimensionen“.

In dem Projekt organisiert sind seit 2016 mehr als 30 Forscher*innen aus neun Instituten im In- und Ausland, aus Kultur- und Naturwissenschaften: Transformation definiere sich in diesem Sinne als „das Kulminieren von Veränderungen in kurzer Zeit. Das kann eine Krise sein, muss es aber keineswegs“; es kann die Wirtschaft betreffen, aber genauso Ideologie, Ritual und Umwelt.

Der Zeitraum, der sie professionell interessiert, reicht „von etwa 15.000 vor unserer Zeitrechnung bis zur Zeitenwende“. Es lasse sich ein solcher Wandel aber auch jetzt gerade erleben, „in Coronazeiten“ – „mit globalen Auswirkungen“. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat dem Projekt zum zweiten Mal eine signifikante finanzielle Förderung zugesprochen: über 14 Millionen Euro für die kommenden vier Jahre. Dann wird evaluiert – und es könnte ein drittes, letztes Mal Geld fließen.

„Wir haben in der ersten Phase durchaus überraschende Ergebnisse erzielt“, erzählt die 50-Jährige. „Man ist ja stark fokussiert, gerade auch medial, auf den Klimawandel, den Einfluss des Klimas, der die Geschichte treiben könnte. Wir können darüber nun etwas differenzierter sprechen: Klima ist nicht alles.“ Bei alt- und mittelsteinzeitlichen, mobilen Gesellschaften, die vom Jagen und Sammeln lebten, stelle sich das Klima durchaus als wesentlich dar: „Wo sich das Eis zurückzieht, ändern sich die Wanderrouten des Jagdwilds – und die Menschen müssen folgen.“

Immer wieder hat Kirleis, die lange an der Göttinger Uni wirkte, in Norddeutschland geforscht, über Themen wie „Ackerbau und pflanzliche Ernährung im südöstlichen Niedersachsen im frühen Neolithikum“. Nicht aus Heimatliebe, sondern „weil wir hier ganz wunderbare natürliche Archive haben“, sagt die gebürtige Einbeckerin: „Die Seenlandschaften sind ein wahrer Schatz, den wir nicht überall antreffen; jahresgeschichtete Sedimente, die wir intensiv untersuchen können, und Vegetationsgeschichte über längere Zeiträume hinweg verfolgen.“ Alexander Diehl