Eine konfrontative Frau

ARBEITSRECHT Die Menschen sind zur Angst konditioniert worden, sagt die Unternehmensberaterin Beate Schwartau. Trotzdem hat sie Hoffnung auf Besserung

Seit 30 Jahren, seit Beginn der Ära Kohl geht es bergab, sagt Beate Schwartau

VON ALICE WINKLER

Beate Schwartau gestikuliert wild, wenn sie erzählt. Ihre Augen glänzen. Sie ist eine, der es ums Prinzip geht. Um die Gerechtigkeit. „Dafür lohnt es sich zu kämpfen“, sagt sie. „Immer.“

Früher hat sie in Betriebsräten gearbeitet, seit über 20 Jahren arbeitet sie mit ihnen. Schwartau macht Unternehmensberatung, bietet Coachings, Supervisionen an. Gerade ist ihr neues Buch erschienen: „Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat“, der Nachfolger ihres Erstlings „Neu im Betriebsrat“. Schwartaus Anliegen war es, ein für alle verständliches Buch zu schreiben. Bis heute hat sie über 3.000 Bücher verkauft, in Fachbuchkreisen eine kleine Sensation.

Geboren wurde Schwartau 1964 als Kind einer alleinerziehenden Arbeiterin im Hamburger Schanzenviertel. Schwartau machte Abitur – trotzdem, möchte man sagen – und bekam mit 18 ihre erste Tochter. Nur: „Mit Kind wollte mich damals keiner, da musste ich mir was überlegen“, sagt sie. Also ging sie in den Betriebsrat. Schon ihre Eltern waren gewerkschaftlich organisiert. Irgendwann reichte es ihr nicht mehr, gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. „Ich wollte das ganz genau wissen“, sagt Schwartau. Also studierte sie Jura, absolvierte erfolgreich den Schwerpunkt Arbeitsrecht. Am ersten Staatsexamen scheiterte sie dennoch – und klagte. Als sie den Bescheid erstritten hatte, war sie beruflich so erfolgreich, dass es darauf nicht mehr ankam.

Ehrenamtlich ist sie seit Jahren für die Gewerkschaft Ver.di tätig. Ihr Herzblut gehört der Selbstorgansierung der „Freelancer“, wie die Solo-Selbstständigen heute heißen. Bundesweit organisiert Ver.di über 30.000 Freischaffende. Angestellte können oft auf ein Netz von Regularien und Vereinbarungen zurückgreifen. Für Selbstständige gibt es keine betrieblichen Netze. Sie müssen sich selbst einmischen und geschützt werden. Schwartau fordert etwa für die Mediatoren eine Gebührenordnung ähnlich jener für Anwälte ein – und eine damit eine einhergehende soziale Absicherung der Selbstständigen. „Das sind Experten to go“, sagt sie. „Die müssen entsprechend bezahlt werden.“

Ganz uneigennützig ist sie dabei nicht. „So wie die meisten denken, dass mir Ver.di, nur weil die mich kennen, die Aufträge zuschießt, ist es schon mal gar nicht.“ Für Ehrenamt ist trotz Akquise Zeit: Die 48-jährige ist Aufsichtsrätin der Mediendenkfabrik e. G. Eine Genossenschaft mit über 50 Mitgliedern, allesamt Freiberufler. Sie alle schätzen die günstigen Konditionen, die kollegiale Atmosphäre, die Möglichkeit zur Kooperation. So können sich Mitglieder bei Bedarf und Gelegenheit unter der „Dachmarke“ zu Projektgemeinschaften zusammenschließen.

Schwartau will den Menschen, mit denen sie arbeitet, ihr Selbstvertrauen zurückzugeben. „In den letzten 30 Jahren, seit Beginn der Ära Kohl, geht es bergab“, sagt sie. „Die Arbeitgeberlobby setzt sich mit ihren Forderungen knallhart bei der Bundesregierung durch.“ Die Menschen seien zur Angst konditioniert worden – Angst vor Arbeitslosigkeit, Angst vor dem Nichtbestehen in der Gesellschaft. „Dem Arbeitnehmer mangelte es jahrlang an der Wertschätzung seiner selbst, aber das wird bald ein Ende haben“, prognostiziert Schwartau.

Grund dafür sei der demografische Wandel. Wenn sie die beiden Worte sagt, und sie sagt sie oft, funkeln ihre Augen noch mehr als gewöhnlich. „Die Generation, die jetzt auf dem Weg in den Arbeitsmarkt ist, wird sich nichts mehr gefallen lassen müssen.“ Sie sei so gut ausgebildet, dass die Arbeitgeber-Frage „Warum sollen wir uns für die entscheiden?“ künftig lauten werde: „Was können wir tun, damit sie sich für uns entscheiden?“.

Besonders freut sie sich darüber, dass ihre beiden Töchter dieser Generation angehören. Ihre Familie, zu der seit einem Jahr ein Enkelkind gehört, ist ihr heilig. „Wenn jemand denen etwas will, werde ich ungemütlich“, sagt sie. Im letzten Jahr klagte sie gegen die Schule der Tochter, weil diese ein „unentschuldigtes Fehlen“ im Zeugnis vermerkten, als die 15-jährige für die Schulreform demonstrierte. „Da geht ein junger Mensch für andere auf die Straße und wird dafür bestraft“, sagt Schwartau, „das kann doch nicht deren Ernst sein.“ Um die Schulangelegenheiten der Tochter kümmert sich mittlerweile der Vater. Manchmal muss man Aufgaben delegieren. Ganz ohne schlechtes Gewissen.