piwik no script img

Besserer Schutz vor Corona gefordertGeflüchtete ins Internet

Könnte man Geflüchtete wegen Corona statt in engen Heimen nicht besser in leeren Hotels unterbringen? Bezirke und Land streiten über Zuständigkeit.

Nicht jedeR hat ein Tablet zum Lernen. Manche Flüchtlingskinder in Heimen haben nicht einmal Wlan Foto: dpa

Es begann mit einem offenen Brief der Integrationsbeauftragten aller zwölf Berliner Bezirke an die Mitglieder der Landesregierung. „Wir bitten Sie, jetzt zu handeln“, schrieben sie Mitte April und drückten ihre Sorge darüber aus, dass die Bewohner von Flüchtlingsunterkünften, insbesondere die Kinder, die Verlierer der Coronakrise sein werden.

Auf engsten Raum mit ihren Familien und ohne ordentliches W-LAN, erreichten die Lernangebote der Schulen die Kinder nicht. Und: Das Infektionsrisiko sei aufgrund der Enge in den Heimen besonders hoch. Durch die Anmietung leer stehender Ferienwohnungen und Hotelzimmer könne das Risiko gesenkt werden.

In die Debatte mischte sich das Netzwerk Berlin hilft ein und fragte, warum die Bezirksbeauftragten zwar den Splitter im Auge des Senates, nicht aber den Balken im eigenen Auge sähen. Denn nur die knappe Hälfte der Flüchtlinge sind in Unterkünften des Landes untergebracht. Für die Unterbringung anerkannter Asylberechtigter sind die Bezirke zuständig – und die weisen sie in privat betriebene Obdachlosenpensionen ein.

Diese Häuser hätten deutlich schlechtere Standards als die des Landes. Sozialarbeiter gebe es fast nie, auch keine Aushänge, in denen die Bewohner über Hilfen der Behörden informiert würden. Und während in den Unterkünften des Landes lediglich eine „Erweiterung und Verstärkung eines vorhandenen“ W-LANs anzumahnen sei, müsse in den bezirklichen Heimen erst einmal überhaupt W-LAN bereitgestellt werden.

Leon Godeffroy, Integrationsbeauftragter in Charlottenburg-Wilmersdorf, erklärt auf Nachfrage der taz, warum man die Verbesserungen nur bei Landesebene und nicht bei den Bezirken anmahne: „Mit den bezirklichen Ansprechpartnern stehen wir ja ohnehin im Gespräch. Natürlich sehen wir Probleme in beiden Arten von Unterkünften.“ Zumindest bei den landeseigenen sei nun das W-LAN-Netz ausgebaut worden.

Niemand fühlt sich zuständig

Was die von den Bezirken belegten Unterkünfte betrifft, so fühlt sich für deren Qualität offenbar niemand zuständig. Sonst hätte es nicht passieren können, dass die Bezirke Unterkünfte belegen, denen das Land Berlin wegen Qualitätsmängeln und rassistischer Äußerungen des Personals gekündigt hat.

Oliver Igel (SPD), Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, kritisiert, dass die Pandemie mit den zeitweise geschlossenen Hotels nicht als Chance genutzt wurde. „Die Bereitschaft bei den Hoteliers wäre da gewesen.“ Igel schreibt auch, an wen sich seine Kritik richtet: an die Landesregierung.

Christian Lüder von Berlin hilft widerspricht: Igel selbst und seine Bezirkskollegen seien zuständig. Seiner Meinung nach wäre es für die öffentliche Hand sogar kostengünstiger gewesen, freie Hotels und Hostels mit langfristigen Verträgen zu günstigen Preisen für die Unterbringung von Flüchtlingen durch die Bezirke zu akquirieren.

Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) sagt der taz, der Senat werde „zum Schutz der untergebrachten Menschen, die Belegungsdichte schrittweise verringern“. Zusätzliche Wohnformen zur temporären Unterbringung von besonders gefährdeten Geflüchteten im Zusammenhang mit der Pandemie würden geschaffen. Von den Bezirken, die für die Unterbringung anerkannter Asylberechtigter und Obdachloser zuständig seien, wünsche sie sich mehr Unterstützung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare