Bei Spielstraßen ist Luft nach oben

Lange Zeit waren Spielplätze für Kinder tabu. Wie wichtig das Draußensein für die Kleinsten ist, zeigt auch der jüngste Kinderreport, den Familienministerin Franziska Giffey am Montag vorgestellt hat

Von Bennet Groen

Kinder in Deutschland wollen draußen spielen, können dies aber nicht immer so tun, wie sie möchten. Dies ist eine zentrale Erkenntnis, die aus dem Kinderreport 2020 hervorgeht. Am Montag hat ihn Familienministerin Franziska Giffey (SPD) zusammen mit dem Präsidenten des Deutschen Kinderhilfswerks in Berlin vorgestellt.

Demnach hat es für 39 Prozent der Kinder und Jugendlichen eine große Bedeutung, im Freien zu spielen, für weitere 31 Prozent ist es zumindest wichtig. Hauptgrund dafür, dass Kinder zu Hause bleiben, ist demnach, dass gleichaltrige Spielkamerad*innen fehlen. Das gaben 54 Prozent der Befragten an. Auch mangelnde Zeit (46 Prozent) sei ein Problem. 35 Prozent der Befragten gaben zudem die Gefahren im Straßenverkehr als Grund an, um drinnen zu bleiben. Und auch Platz scheint zu fehlen: Ganze 88 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen wünschen sich mehr Raum zum Spielen.

Der Kinderreport ist eine jährliche, repräsentative Umfrage, für die ältere Kinder und Eltern zu jeweils einem Schwerpunktthema befragt werden. In diesem Jahr lag der Fokus des Reports auf dem Spielen im Freien. Zu diesem Thema wurden bundesweit 1.644 Personen befragt, davon 624 Kinder und Jugendliche sowie 1.022 Erwachsene.

Obwohl die Befragung vor der Coronakrise durchgeführt wurde, stand die Vorstellung des Reports am Montag im Zeichen der Pandemie. Familienministerin Giffey betonte, in der Diskussion über weitere Coronamaßnahmen das Kindeswohl stärker in den Blick zu nehmen. „Es ist gut, wenn Schritte der Öffnung gegangen werden“, da diese dem Kindeswohl entgegenkämen. Wenn über weitere Lockerungen gesprochen werde, müsse aber sorgfältig zwischen dem Gesundheitsschutz und den Interessen der Kinder abgewogen werden, sagte die Ministerin auch mit Blick auf die von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) angestoßene Debatte über ein mögliches Ende der Coronamaßnahmen.

„Es ist natürlich gut, wenn Kinder wieder in ihren gewohnten Alltag kommen“, so Giffey. Dies diene dem Kindeswohl und dem Kinderschutz. Zugleich sprach sich die Bundesfamilienministerin dafür aus, Kindern grundsätzlich mehr Möglichkeiten zum Spielen im Freien und in der Natur zu geben.

Auch Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, forderte, „dass dem Draußenspielen ein deutlich höheres Gewicht“ bei­gemessen werden sollte. Die Gesetzeslage in Bund und Ländern zeige, dass die Interessen von Kindern in der Stadt und Raumplanung häufig zu wenig Beachtung fänden. Auch wenn einige Kom­munen oder Bundesländer vorangehen würden, sei hier insgesamt „viel Luft nach oben“.

Gleichzeitig beobachte man einen „rasant voranschreitenden Abbau von Spielflächen und die weit verbreitete Vernachlässigung von Qualitäten auf Spielflächen“. Um es Kindern leichter zu machen, draußen zu spielen, forderte Krüger am Montag Einschränkungen im Straßenverkehr. So schlug er vor, temporäre Spielstraßen in Städten und Kommunen einzurichten und eine Geschwindigkeitsbegrenzung von Tempo 30 innerorts durchzusetzen.

Familienministerin Giffey erneuerte am Montag auch ihre Forderung danach, dass Kinder­rech­te ins Grundgesetz auf­ge­nom­men werden. Eigentlich steht dieses Vorhaben auch im Koalitionsvertrag von SPD und CDU. Ein entsprechender ­Vorstoß von Justizministerin Christine Lambrecht war aber Anfang des Jahres gescheitert. Am Montag sagte Giffey dazu: „Bei allen Fragen, ob Gesundheitsschutz oder Wirtschaftsfragen muss die Vereinbarkeit mit Kindern und ihr Wohl bedacht werden.“ (mit epd)