das portrait
: Broder-Jürgen Trede führt Sehbehinderte durch die Bundesliga

Pionier der Blindenreportage: Broder-Jürgen Trede Foto: HSV

Poh, hundertprozentige Chance für den HSV!“ Normalerweise hätte Broder-Jürgen Trede bei diesem Ausruf im HSV-Netradio im Volksparkstadion gesessen. Mitten unter 20 Sehbehinderten und Blinden, die seine Reportage über Kopfhörer verfolgt hätten. Aber es ist Geisterspielzeit – so saß er beim Heimspiel gegen Arminia Bielefeld mit seinem Kollegen Lars Wegener nebenan in der Nachwuchs-Akademie vor dem Fernsehbild.

„Der Sehbehindertenreporter arbeitet wie ein Navigationssystem – er verortet permanent das Spielgeschehen“, sagt Trede. „Deshalb sagen wir zum Beispiel bei Einwürfen immer ganz genau, wo sie ausgeführt werden.“

Trede war 2003 der Pionier der Blindenreportage – als Sportwissenschaftler mit Journalismus-Bezug an der Uni Hamburg arbeitete er das Konzept aus, nach dem nun in fast allen Bundesliga-Stadien Blindenreporter zum Einsatz kommen. Längst werden die Reportagen auch übers Internet gesendet und holen die Hörer*innen die vollen 90 Minuten ins Geschehen.

Gerade hat Trede wieder in vier Online-Seminaren seine Kollegen*innen aus der Bundesliga im Auftrag der Deutschen Fußball Liga (DFL) weitergebildet, um mit den veränderten Bedingungen klarzukommen. Die DFL hat in Ihren Empfehlungen für die Geisterspiele keinen Platz für die Sehbehindertenreporter vorgesehen. Die meisten Klubs halten sich wie der HSV daran – nur der FC St. Pauli hat beim vergangenen Heimspiel die Möglichkeit für eine Reportage aus dem Stadion geschaffen.

Vor dem Bildschirm fehlt nicht nur die Stadionatmosphäre – die ReporterInnen sind in jedem Moment auf den kleinen Bildausschnitt angewiesen, den die Bildregie anbietet. „Dafür ist es ein Fest, drei Zeitlupen zu bekommen“, sagt Trede. „Die kann ich bei kneipenrelevanten Szenen wie den Toren in aller Ruhe sprachlich so auseinandernehmen, dass ein tolles Bild entsteht. Es ist unser Hauptziel, den Leuten solche Bilder zu vermitteln, die sie in die Lage versetzen, nachher in der Kneipe gleichberechtigt mitzureden.“ Ralf Lorenzen