Eisvogel, flieg!

Mit ehrenamtlichen Engagement beseitigen Bachpaten umweltschädliche Eingriffe und schaffen neue Erholungsräume: „Der Staat erledigt seine Naturschutzaufgaben nur unzureichend“

von Christoph Behrends

An diesem Montag gibt es gute Nachrichten. „Der Regen tat der Seebek gut“, berichtet Michael Kasch, „sie wurde mal richtig durchgespült.“ Und wie steht‘s mit dem Müll? Kasch seufzt ironisch. „Was ist bloß heute mit der Jugend los, dass niemand mehr sein Gerümpel in die Seebek schmeißt“, kommentiert er die erfreuliche Tatsache, dass in den vergangenen vier Wochen weder Einkaufs- noch Kinderwagen aus dem Bach gefischt werden mussten.

Michael Kasch und die zehn Frauen und Männer, die sich im Bramfelder Kulturladen (Brakula) versammelt haben, gehören zur Stadtteilgruppe Bramfeld/Ohlsdorf/Barmbek des Naturschutzbundes (Nabu). Seit zwölf Jahren betreuen sie ein besonderes Patenkind: Die etwa vier Kilometer lange Seebek, die vom Bramfelder See zwischen Steilshoop und Bramfeld entlang bis nach Dulsberg fließt, wo sie in die Osterbek mündet. Im Laufe der vergangenen vierzig Jahre wurde sie, wie die meisten Hamburger Gewässer, vom Amt für Wasserbau teilweise begradigt und in Beton gefasst. Das wollen die Bachpaten ändern.

Neben regelmäßiger Müllbeseitigung und Beobachtung, dem so genannten „Monitoring“, gehört deshalb auch die Wiederansiedelung heimischer Pflanzen wie Schwertlilie, Wasserdost, Mädesüß und Blutweiderich zur patenschaftlichen Betätigung. „Anpflanzungen sind wichtig, weil sie dem Bach seine natürliche Struktur zurückgeben“, erklärt Nabu-Gruppenleiter Christian Gerbich. „Je mehr Steine und Pflanzen im Bach sind, desto reichhaltiger ist der Lebensraum. So bilden sich unterschiedliche Strömungen und Verstecke für die vielfältigsten Lebensarten.“

Im Frühjahr dieses Jahres trug die Gruppe mit Unterstützung zweier Schulklassen und des Technischen Hilfswerks Betonstufen ab, die das Amt für Wasserbau vor Jahren in die Seebeck gebaut hatte, um das Abfließen des Regenwassers zu beschleunigen. Stattdessen glichen die Bachpaten den Höhenunterschied mit einer Kiesschüttung aus. Deren raue Oberfläche verlangsamt die Fließgeschwindigkeit und schafft neue Lebensräume. „Gerade kleinere Lebewesen wie Wasserflöhe und Libellenlarven bewegen sich oft bachaufwärts. Sie können nun die Abschüsse besser überwinden und haben mehr Ruheplätze“, erklärt Kasch. Außerdem dienten Bäche den Tieren als „Autobahnen, um in weniger belastete Gebiete vorzudringen“, ergänzt Nabu-Fachreferent Tobias Ernst.

Bis Ende des Jahres planen die Umweltschützer zusammen mit dem Amt für Wasserbau, das künstlich verengte Flussbett der Seebek zu erweitern. „Im natürlichen Zustand hat ein Bach eine Aue, also eine Fläche, über die er sich bei Hochwasser ausbreiten kann“, erklärt Gerbich. „Dies ist ein wichtiges Biotop, das bei den engen, in Beton gefassten Bächen nicht existiert. Wenn es viel regnet, entsteht dort eine Flutwelle und reißt alles mit sich. Das wollen wir zurückbauen.“

Möglich ist dies allein durch ehrenamtliches Engagement. „Der Staat erledigt seine Naturschutzaufgaben nur unzureichend und stellt zu wenig Geld zur Verfügung“, schimpft Kasch. Um 40.000 Euro habe der Senat in diesem Jahr die Zuschüsse gekürzt. Volker Dumann weiß um das Dilemma, jedoch: „Die Kassen sind leer“, bedauert der Pressesprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. „Um so wichtiger ist die ehrenamtliche Mitarbeit.“

In der Tat: Mehr als 140 Patenschaften von Einzelpersonen oder Gruppen gibt es mittlerweile in Hamburg – es könnten aber noch mehr sein. „Im Prinzip kann jeder eine Bachpatenschaft für ein Gewässer seiner Wahl übernehmen“, wirbt Verena Rabe vom Bezirksamt Wandsbek. Wer Interesse hat, wendet sich an das zuständige Bezirksamt, wo die Aktivitäten koordiniert und bei Bedarf auch mit Rat und Tat unterstützt werden. Ganz uneigennützig, wirbt auch Kasch, sei ein solches Projekt schließlich nicht. „Wir wollen Grüngebiete attraktiver für die Menschen machen“, sagt der Umweltschützer. „Davon profitiere auch ich, wenn ich spazieren gehe.“

In Bramfeld könnte das Naturerlebnis demnächst besonders attraktiv werden. Durch verbesserte Wasserqualität durch entsprechenden Uferbewuchs und die Wiederherstellung der natürlichen Bachstruktur wollen die Bachpaten den Bachflohkrebs in die Seebek locken und damit einen spannenden Kreislauf in Gang setzen: Der winzige Krebs dient Libellenlarven als Nahrung, die wiederum von Fischen gefressen werden, von denen sich der Eisvogel ernährt.

Erste Erfolge der Arbeit sind bereits sichtbar. „Neulich“, freut sich Kasch, „hat ein Kollege schon einen Eisvogel vorüberfliegen sehen.“

Weitere Informationen: www.nabu-hamburg.de, www.bachlaeufer.hamburg.de. Die Nabu-Stadtteilgruppe für die Seebek trifft sich künftig jeden 4. Montag im Monat um 19 Uhr im Bürgerhaus Barmbek (Lorichstraße 28a). Interessierte sind willkommen. Das Bezirksamt Harburg sucht noch Bachpaten: Interessierte melden sich bei Barbara Ganser, ☎ 428 71-23 75