Verfassung ohne Flecken

Bremer Fraktionen streichen gemeinsam den Begriff „Rasse“

Vielleicht macht eine Fiktion klar, worum es geht: Wenn die Republik San Marino 1600 in ihren Statuten verankert hätte, dass Hexen dort vor Verfolgung geschützt sind, wäre das eine noble Geste gewesen. Wenn das heute noch immer in jener ältesten Verfassung der Welt stünde, würde es komisch wirken. Vergleichbares jetzt in Bremen: An das Konzept der „Rasse“ hat die Wissenschaft weltweit bis Mitte der 1950er ähnlich fest und unerbittlich geglaubt, wie das 17. Jahrhundert an Hexen.

Dass es in einer Landesverfassung von 1947 steht, ist daher so beschämend wie normal. Den leeren, aber deswegen nicht ungefährlichen Begriff jetzt – endlich! – zu tilgen, ist eine Anpassung an die Wirklichkeit. Auf den Weg haben sich alle fünf Fraktionen der Bürgerschaft gemacht (CDU, SPD, Grüne, Linke, FDP). Zugleich wollen sie die Fundamentalnorm des Zwei-Städte-Staats nach sachsen-anhaltischem Vorbild auch wehrhafter machen gegen Neofaschismus. Am Donnerstag hat die Bürgerschaft die entsprechenden Gesetzesentwürfe in den von der Verfassung für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Ausschuss verwiesen. Der Konsens ist groß.

Zugleich soll die Einschränkung, dass in Bremen nur alle „Arbeitswilligen“ in den Genuss der Menschenwürde kommen – eine vom NS-Gedankenunrat infizierte Formulierung, die bis in die 1950er-Jahre Altnazis der FDP auch im Bundesrecht fixieren wollten –, aus der Präambel verschwinden. Freilich: Ohne dabei daran denken zu wollen, dass mindestens der prominenteste der Bremer Verfassungsväter, Theodor Spitta, den Nazis treue Dienste geleistet hatte. Noch im Mai 1945 verglich er in einem Tagebucheintrag den verschiedenen Adolf Hitler mit den Größten der Großen: Alexander, Karl, Otto und Friedrich. Übel nahm er ihm bloß, dass er gescheitert war.

Aber das ist Schnee von gestern, wenn auch in anderer Farbe: also vorwärts, und schnell vergessen. Denn es ist gut, wenn sich in der Verfassung das „antinationalsozialistische Grundverständnis“ so unzweideutig formuliert, wie es der Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) in ihr lesen will. Benno Schirrmeister