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corona in bremen„Notwendigkeit, aktiv zu werden“

Foto:privat

Martin Zülch, 70, ist Politik- und Kunstlehrer a.D. Für die Homepage der Heinrich-Böll-Stiftung Bremen hat er Netzkampa­gnen aus dem Bereich Klima & Umwelt jetzt auch von Kampagnen in Zeiten der Coronakrise zusammengetragen.

Interview Alina Götz

taz: Herr Zülch, ich bin genervt von der momentanen Flut an Petitionen und Online-Aktionen. Geht Ihnen das auch so?

Martin Zülch: Wir haben auf jeden Fall ein Überangebot an Kampagnen – unsere Aufmerksamkeit für wichtige Anliegen ist aber begrenzt. Zugleich erklärt sich die Vielzahl an Eingaben mit der Menge der Missstände.

Haben Sie deswegen die Kampagnen-Überblicke erstellt?

Ja, beide Sammlungen sind als Orientierungshilfen konzipiert. Vielleicht hilft der Pool, unsere Aufmerksamkeitsökonomie zu verbessern und mehr Menschen zu ermöglichen, sich an wichtigen Eingaben zu beteiligen.

Was ist denn wichtig?

Diese Entscheidung überlasse ich den Unterstützern. Ich habe versucht, bei der Zusammenfassung keine Zensur auszuüben und alles, was im politisch progressiven Spektrum angesiedelt ist, aufzunehmen. So ist das Mercosur-Abkommen noch nicht vom Tisch, aber Naturschutz in Osteuropa ist auch wichtig. Daher habe ich nach Politikfeldern sortiert, nicht nach Relevanz.

Welche Mitmachmöglichkeiten bieten die Kampagnen?

Die Netzkampagnen gliedern sich unter anderem in Petitionen, darunter auch Sammelpetitionen an den Petitionsausschuss des Bundestags, und E-Mail-Aktionen, bei denen Entscheidungsträger wie Politiker direkt angesprochen werden.

Online-Demos, wie die von Fridays for Future letzte Woche, sind also nicht Teil davon?

Nein. Die habe ich mir in Teilen angeschaut und wieder gemerkt, wie sehr eine intermediale Vernetzung fehlt, also der Schulterschluss zwischen Straßenaktivismus – nur zurzeit online – und Netzaktivismus. Es wäre beim virtuellen Klimastreik möglich gewesen, auf Netzkampagnen aufmerksam zu machen, statt nur eine Schwemme von Plakaten zu zeigen.

Jetzt würden die Aktivist:innen vielleicht sagen, dass sie den Adressat:innen der Petitionen nicht genug zutrauen.

Die grundsätzlich skeptische Haltung gegenüber allen Politikern lehne ich ab. Man muss sich in der Politik Verbündete suchen. Einen Sinn für Realpolitik muss man von den Akteuren, um die es hier geht, erwarten.

Sehen Sie in der Krise auch eine Chance für jeglichen Aktivismus, weil wir bemerken, wie wenig resilient unser Gesellschaftssystem ist – und viele jetzt mehr Zeit haben?

Ich sehe darin vor allem eine Notwendigkeit, aktiv zu werden, und auch eine Möglichkeit zu schauen, welche neuen Kampagnen es gibt. Aktuell ist zum Beispiel „Corona-Hilfen: Keine Vorfahrt für die Autolobby“ von Lobby Control. So etwas ist wichtig, insbesondere wenn im Windschatten der Coronakrise Autoverbände Lobbyarbeit intensivieren, CO2-Grenzwerte ausgesetzt werden oder der Kohleausstieg verschoben wird. Die Deutsche Umwelthilfe äußerte bereits die Sorge, dass ein massiver Angriff auf den Klimaschutz droht.

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