Londons Polizei greift zu

Fünf Terrorverdächtige wurden gestern in der Stadt festgenommen. Mindestens zwei sollen Anschläge auf U-Bahn und Bus versucht haben

VON RALF SOTSCHECK

Die britische Polizei hat gestern in London zwei der vier Attentäter festgenommen, die am Donnerstag voriger Woche versucht haben, drei U-Bahnen und einen Bus zu sprengen. „Das Netz zieht sich zu“, hatte Scotland-Yard-Chef Ian Blair schon am Morgen gesagt. Die beiden Männer wurden nach einem Großeinsatz verhaftet, bei dem mit Maschinenpistolen, Gasmasken und kugelsicheren Westen ausgerüstete Polizisten die Dalgarno-Siedlung im Westlondoner Stadtteil Notting Hill abriegelten.

Bei einem der Männer soll es sich um den bisher nicht namentlich bekannten Attentäter handeln, der die U-Bahn bei der Station Oval sprengen wollte. Der andere ist Muktar Mohammed Said alias Muktar Said Ibrahim. Er soll für die Bombe in einem Bus der Linie 26 in Hackney am 21. Juli verantwortlich sein. Über die Identität eines dritten Mannes, der gestern ebenfalls verhaftet wurde, gab die Polizei keine Auskunft.

Der Großeinsatz hatte bereits um halb zwölf Uhr mittags begonnen, die Polizei verhängte jedoch für zwei Stunden eine Nachrichtensperre. Eine Augenzeugen, die in der Dalgarno-Siedlung wohnt, sagte, dass die Beamten durch die geschlossene Tür der Wohnung Nr. 14 riefen: „Mohammed, wo liegt das Problem? Zieh dich aus und komm heraus.“ Aus der Wohnung habe ein Mann geantwortet: „Woher weiß ich denn, dass ihr mich nicht erschießt, wenn ich komme?“ Reaktion der Polizei: „Wenn du unseren Befehlen gehorchst, wird dir nichts passieren.“

Auch in anderen Teilen Londons führte die Polizei Razzien durch. Der Bahnhof Liverpool Street wurde gesperrt, zwei Frauen wurden verhaftet. Eine wollte offenbar ein Ticket für den Stansted Express kaufen, die Schnellbahn zu einem der Londoner Flughäfen. Beide Frauen sollen Rucksäcke getragen haben. Ob sie mit den Anschlägen vom Donnerstag voriger Woche zu tun haben, sagte die Polizei nicht. Bei allen vier Attentaten explodierte lediglich der Zünder, nicht aber der Sprengstoff, sodass niemand verletzt wurde. Zwei Wochen zuvor hatten vier Männer mit Anschlägen auf drei U-Bahnen und einen Bus sich und 52 andere Menschen getötet.

Nach den gestrigen Festnahmen ist nur noch einer der Attentäter auf freiem Fuß. Der Somalier Yasin Hassan Omar wurde am Mittwoch in Birmingham gefasst. Bei seiner Verhaftung setzte die Polizei einen „Taser“ ein, eine Elektroschock-Distanzwaffe. Polizeichef Ian Blair kritisierte diesen Einsatz als „unglaublich gefährlich“. Der Stromstoß hätte eine Bombe zünden können, die Omar am Körper getragen haben könnte, sagte Blair und fügte hinzu: „Es gibt nur eine Möglichkeit, um einen Selbstmordattentäter aufzuhalten: Man muss ihn umbringen.“

Genau das hatte die Polizei vor acht Tagen in London tun wollen, als sie den Brasilianer Jean Charles de Menezes durch acht Kopfschüsse tötete. Später stellte sich heraus, dass der 27-jährige unschuldig war und lediglich aus Angst vor den bewaffneten Polizisten in Zivilkleidung weglief. Dabei ist er weder über eine Absperrung gesprungen, noch hat er eine besonders dicke Jacke getragen, wie die Polizei zunächst behauptet hatte. De Menezes wurde gestern in Brasilien beigesetzt.