Hamburgs teure Pflaster

MEDIZINISCHE VERSORGUNG Hamburg gibt am meisten für Arzneimittel aus. Vor allem Medikamente gegen Zivilisationskrankheiten erhöhen die Kosten

Hamburgs Ausgaben für Arzneimittel sind nicht zuletzt deshalb am höchsten, weil die Stadt das Umland mitversorgt

Hamburgs Gesundheitsversorgung gehört zwei Studien zufolge zu den teuersten in Deutschland. Das von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) beauftragte Institut IGES hat errechnet, dass die ansässigen Ärzte 2008 pro Patient Medikamente im Wert von 27,25 Euro verschrieben haben. Damit steht Hamburg an der Spitze vor allen anderen Ländern.

Der Trend sei allerdings ein bundesweiter, sagte Martin Albrecht vom IGES am Dienstag bei der Vorstellung des Arzneimittel-Atlas 2009. Dieser „mengengetriebene Ausgabenzuwachs“ käme zustande, weil immer mehr Menschen mit chronischen und Zivilisationskrankheiten zu kämpfen hätten wie Diabetes, Depressionen oder Fettstoffwechselstörungen. Zudem verbesserten sich die Therapiemöglichkeiten und damit auch die Auswahl an Arzneimitteln.

Hamburgs Ausgaben seien auch deshalb am höchsten, weil das Umland mitversorgt werde. Zu Buche schlagen außerdem die von Fachärzten verschriebenen Medikamente gegen Krankheiten wie Rheuma, Multiple Sklerose oder Epilepsie. Diese gehören zum Bereich der Spezialversorgung. Nach Berlin ist Hamburg die Stadt mit der zweitteuersten Spezialversorgung, was nicht zuletzt in der hohen Zahl der Fachärzte begründet liegt.

Während der Arzneimittelatlas auf Angaben von Apotheken zurückgeht, beruht die Studie des medizinischen Dienstleisters Anycare auf Daten von rund 23.500 gesetzlich Krankenversicherten mit Wohnsitz in Hamburg. Demzufolge liegen die Kosten für Arzneimittel sogar sieben Prozent unter dem bundesweiten Durchschnitt. „Der Grund dafür ist der hohe Anteil von Generika“, sagte Catrin Schaefer von Anycare. Allerdings seien die Kosten für ambulante Behandlungen etwa zehn Prozent höher als im Rest der Republik. „Hamburg ist also ein teures Pflaster“, sagte Schaefer.

„Die Daten zeigen, dass sich der Einsparungsstand von Hamburg verschlechtert hat“, sagt Walter Plassmann, Vize-Vorsitzender der KV Hamburg. Um die Kosten zu senken, plädiert er für einen Kurswechsel in der Arzneimittelpolitik. „Die Ausgaben für Medikamente sind mittlerweile höher als für das ärztliche Tun“, kritisiert Plassmann. Die von Krankenkassen und Pharmaunternehmen abgeschlossenen Rabattverträge würden die Ärzte zudem überfordern. „Der Arzt muss aus dieser Preisverantwortung heraus“, sagt er. UTA GENSICHEN