: In der Isolation
Wer auf Treffen einer Suchthilfegruppe angewiesen ist, hat es aktuell schwer. Manche helfen sich privat
Notfallhotline für Betroffene während der Coronazeit:
☎040 / 22 11 95.
Termine zu Online-Meetings finden Sie auf der Website der Anonymen Alkoholiker unter Online-Meetings – temporäre Meetings – Intergruppe Nord.
Von Nathalie Haut
Für Süchtige bedeutet das Kontaktverbot während der Coronapandemie eine besondere Herausforderung. Vanessa B. (Name geändert) ist alkoholkrank und besuchte regelmäßig die Treffen der Anonymen Alkoholiker (AA). Die Treffen verhindern unter anderem, dass Menschen, die alkoholkrank sind, sich isolieren. Die Identifikation mit anderen, die dasselbe Problem haben, und das gegenseitige Verständnis sind wichtige Faktoren, um nicht rückfällig zu werden.
Momentan können sich Betroffene nur über Online-Meetings austauschen. „Die können zwar die persönlichen Treffen eigentlich nicht ersetzen, müssen es aber“, sagt B. Außerdem bergen die Online-Meetings auch Chancen. Schließlich gibt es jetzt 24 Stunden am Tag die Möglichkeit, an einem virtuellen Treffen teilzunehmen. Außerdem gibt es eine Notfallhotline für Betroffene.
B. weiß aus eigener Erfahrung, was eine Isolation für Auswirkungen haben kann. Kurz vor dem Ausbruch der Coronapandemie isolierte sie sich wegen einer Grippe. „Ich konnte den Kontakt zu meinen Bezugspersonen am Telefon nicht halten und Meetings waren keine Option“, erzählt B. „Beim Einkaufen hatte ich dann einen Blackout und griff zur Flasche.“ Schon ein Tropfen Alkohol löse bei ihr die Sucht wieder aus. Mit Hilfe von Telefonaten und Online-Meetings sei sie aber wieder trocken geworden.
So wie Vanessa B. geht es vielen Menschen während der Pandemie. Zwar gibt es keine offiziellen Zahlen zur Rückfall-Rate, allerdings erzählt B., dass schon Bekannte in ihrem Umfeld rückfällig geworden seien, von denen sie es niemals geglaubt hätte. Auch Dieter N. (Name geändert) hat in seinem Umfeld viele Rückfälle erlebt.
N. veranstaltet private AA-Meetings auf seiner eigenen Dachterrasse. Für ihn und seine Gruppe reichen die Online-Meetings nicht aus. Lange wusste der 50-Jährige nicht, ob das, was er tut, überhaupt legal ist. „Es ist legal, anderen Menschen zu helfen und das mache ich hiermit!“, rechtfertigt er sich. „Viele Süchtige sind auf diese Treffen angewiesen.“ Doch auf der Dachterrasse können, unter Einhaltung der gesundheitlichen Vorschriften, nur neun Personen teilnehmen. Er wünscht sich Hilfe von der Stadt, schließlich sei Corona nicht die einzige Krankheit, die behandelt werden muss.
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