wie machen sie das?: Die Sexualtherapeutin
Ulrika Vogt, 52, organisiert als Paar- und Sexualtherapeutin in Köln offene Runden, in denen Frauen lernen können, über Sexualität zu sprechen.
taz am wochenende: Frau Vogt, Sie bringen Frauen bei, über ihre Sexualität zu sprechen – unter anderem in Gesprächskreisen. Wie machen Sie das?
Ulrika Vogt: Ich gehe in Vorleistung und erzähle von mir. Dann darf sich jede vorstellen. Ich versuche, eine entspannte, geschützte Atmosphäre zu schaffen. Wenn ein Thema aufkommt, frage ich, ob schon jemand eine Erfahrungen damit hat. So kann sich ein Gespräch entwickeln.
Wozu braucht es solche Runden für Frauen?
Das Thema eigene Sexualität ist tabuisiert und schambesetzt, obwohl wir in so einer übersexualisierten Zeit leben. Jüngere Frauen sprechen vielleicht noch mit Freundinnen darüber, aber das verliert sich, je etablierter Menschen werden.
Warum ist das ein Problem?
Weil man ohne Erfahrung und Austausch nicht lernen kann. Beim Sex geht man davon aus, dass alles automatisch läuft. Wir haben ein angeborenes Basissexualprogramm, aber das reicht nicht aus, um all die Elemente, die Sexualität heute erfüllen soll – Nähe, Bindung, Selbstbestätigung –, zu bedienen.
Spielt die Erziehung da auch eine Rolle?
Sicher. Bei der Reinlichkeitserziehung werden wir zum Beispiel unterstützt. Aber bei der Sexualität bekommen wir keinen sozialverträglichen Umgang beigebracht. Wenn Kinder sich berühren, ist das vielen Eltern unangenehm. Im besten Fall wird es ignoriert, schlimmer ist es, wenn es verboten wird.
Wie geht es besser?
Fragen: Was spürst du? Macht das ein schönes Gefühl? Verständnis zeigen und Sexualität als etwas Schönes vermitteln. Aber auch erklären, dass das im eigenen Zimmer ohne Publikum passieren sollte.
Sollte Sexualität ein Smalltalk-Thema werden?
Die Idee ist schön, aber so weit sind wir noch lange nicht. Erst mal ist es wichtig, dass Gespräche über Sexualität in einem geschützten Raum stattfinden können. Sexualität muss als Thema natürlicher, selbstverständlicher, besprechbarer werden.
Was können vor allem Frauen noch lernen?
Vielen Frauen ist die Fähigkeit gegeben, auf das Gegenüber einzugehen. Aber es fällt ihnen schwer, ihre Aufmerksamkeit auf ihr eigenes Empfinden zu konzentrieren. Wenn ich primär beim Gegenüber und nicht in meinem eigenen Körper bin, dann kann ich nichts spüren und fühlen – ergo keinen Genuss und keine Lust erleben.
Was können Partner tun?
Zugewandt, sensitiv sein und immer wieder zum Gespräch einladen. Das ist in einer langen Beziehung wichtig. Bedürfnisse und Vorlieben verändern sich ja.
Interview:
Christina Spitzmüller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen