Helmut Höge
Wirtschaftsweisen
: So etwas können sich doch nur die Reichen leisten

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Diese ganzen Redak­tions­netzwerke, Infobüros, Journalisten- und World-Watcher, die ständig im Internet mit Nachrichten, Fotos, Clips und Aufrufen um unsere knappe Ressource Aufmerksamkeit buhlen, vergessen eines: Man muss das alles erst auf Papier bringen, drucken lassen, als Flugblatt oder Zeitung. Es muss was kosten, das heißt: „Wer schreibt, der zahlt.“ Erst dann ist einem der Text auch was wert.

So aber – im Internet, in den sozialen Medien oder Ähnlichem – läuft es bloß darauf hi­naus, das „Wording“ so hinzufummeln, dass da ein „Content“ entsteht, der soundso viele Clicks einheimst, über die man sich als „Chief Editor“ freuen darf, denn damit lassen sich Anzeigen akquirieren – und schon hat man nicht nur nichts ausgegeben, sondern sogar noch was eingenommen. Das ist jedoch eine verdammte Amilogik.

Sie verhält sich zu einem gedruckten und bezahlten Text wie eine NGO zu einer Bürgerinitiative. Letztere ist eine Form von Aktivismus, der sich gegen irgendeine Ungerechtigkeit richtet: Etwa gegen die Einrichtung eines Fahrradwegs auf Kosten von Autoparkplätzen – oder umgekehrt. Oder gegen das Schweinesystem oder strikt dafür. Eine Bürgerinitiative lässt sich ihre Bemühungen was kosten – Zeit und Geld. Eine NGO dagegen braucht nur eine populäre Idee (Vogelschutz etc.), und die muss dann so „kommuniziert“ werden, dass man damit „Sponsoren“ einwerben kann. Wenn das flutscht, ist man aus dem Schneider, das heißt, man kann davon leben und muss nur ab und zu eine Rundmail an die Geldgeber versenden, damit die nicht nachlassen mit ihrem „Engagement“.

Dieses Problem ist so ähnlich gelagert wie bei der Psychoanalyse: Als in der Studentenbewegung wegen der so eleganten Verquickung von Freud und Marx durch die Frankfurter Schule (Ador­no et al.) alle Antiautoritären neben „Action“ auch noch eine „Analyse“ machen wollten – und der Andrang so groß war, dass man zähneknirschend die Qualifikation von Psychotherapeuten aufweichen musste, um den Rückstau an Talking-Cure-Verlangenden abzubauen, das heißt um mehr unneurotische Menschen zu schaffen –, da ging es los mit dem leidigen „Wer zahlt denn das ­alles?“.

Einige Krankenkassen hatte man schon fast so weit mit der „Kostenübernahme“, aber da traten plötzlich die Psychoanalytiker auf den Plan und sagten: Nein, mindestens ein Eigenbetrag des Patienten muss dabei sein, sonst gibt der oder die sich auf unserer Couch keine Mühe.

Sie ernteten natürlich scharfe Kritik von links unten: Das sei elitär, dann könnten sich doch nur die Reichen so etwas leisten, die Armen werden wieder wie gehabt mit den Psychodrogen von der Gesundheitskasse abgespeist. Auch ich dachte so, denn ich hatte für meine Analyse extra einen Zweitjob angenommen – als Kuchenausfahrer.

Die Analytiker zeigten bloß auf den Offenen Kanal – ein Feigenblatt für die Bürgermassen, die bei der Privatisierung der TV- und Radiosender mangels Kapital leer ausgegangen waren: Dort konnten sie fortan nach Herzenslust Worte, Bilder, Urlaubsvideos, aber auch total Systemkritisches in großer „Talk­runde“ oder allein vom Blatt ablesend senden. Es kam jedoch nichts dabei raus, alles Scheiße. Das Internet ist so ein Offener Kanal global.