grundeinkommen im internationalen vergleich
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Kann ein bedingungsloses Grundeinkommen funktionieren? Das Konzept fordert eigentlich, dass das Geld unabhängig vom sonstigen Einkommen oder von Hilfen an alle zuvor definierten Bürger*innen gezahlt wird. In der Ausgestaltung gibt es große Unterschiede: Wer gehört zu den Nutznießern, wie viel Geld soll es geben, wie lange wird es gezahlt, welche anderen Sicherungssysteme laufen nebenher?

In vergleichsweise reichen Industriestaaten gibt es wenige Beispiele für ein reines bedingungsloses Grundeinkommen. Bei dem vielbeachteten Versuch in Finnland zwischen 2017 und 2019 haben 2.000 zufällig ausgewählte längerfristig Arbeitslose über zwei Jahre ein Grundeinkommen erhalten – unabhängig davon, wie viel sie nebenbei verdienten.

Das Ergebnis: Die Menschen mit Grundeinkommen waren ähnlich produktiv und erfolgreich am Arbeitsmarkt wie die arbeitslose Vergleichsgruppe. Unterschiede gab es trotzdem: Finn*innen mit Grundeinkommen waren weniger gestresst, gesünder und zuversichtlicher.

Die Aussagekraft des Versuchs halten Kritiker*innen indes für beschränkt: Zum einen wurden nur Langzeitarbeitslose beteiligt, zum anderen reichten die 560 Euro monatlich vielen nicht als Existenzgrundlage. Die Empfänger*innen waren weiterhin auf Arbeitslosengeld angewiesen und standen unter ähnlichem Behördendruck wie die Kon­trollgruppe.

Spanien hat angesichts der Corona-Krise angekündigt, ein Grundeinkommen einzuführen – es soll über die Krise hinaus Bestand haben. Die Höhe dürfte nach ersten Informationen etwa 440 Euro monatlich betragen. Ob es sich tatsächlich um ein allgemeines Grundeinkommen handelt oder vorerst doch nur um eine Art Grundsicherung für arme Familien, wird sich erst noch herausstellen.

In Deutschland verlost der Verein „MeinGrundeinkommen“ seit 2014 für ein Jahr monatlich 1.000 Euro, ohne daran Bedingungen zu knüpfen. 577 Jahres-Grundeinkommen wurden schon vergeben. Bisher gibt es eine qualitative Studie zu den Ergebnissen: Die Empfänger*innen haben das Geld demnach gespart, in Aktien angelegt, oder sich mehr Bio-Lebensmittel geleistet. Das eigene Berufs- oder Familienleben komplett verändert haben sie eher nicht.

In den USA gibt es eine Form des Grundeinkommens, die über einen Versuch hinausgeht: Die Einwohner*innen Alaskas werden seit 1976 an den Einnahmen aus der Ölförderung beteiligt. Allerdings beträgt die jährliche Summe für jede*n Bürger*in nur etwa 1.100 US-Dollar – von einem existenzsichernden oder -verändernden Einkommen kann deshalb nicht gesprochen werden.

Dem Grundeinkommen im wahren Leben kommt der „historische Lohn“ in Kuba zumindest in Teilen nahe: Von 1964 bis 1973 bekamen die Kubaner*innen einen Einheitslohn. Sie hatten dafür allerdings die Pflicht zu arbeiten und konnten sich zu ihrem Grundeinkommen nichts dazuverdienen. Das System, das allein auf intrinsische Motivation setzte, kann als gescheitert gelten: Die Produktivität nahm ab, für viele Produkte folgten Versorgungsengpässe.

Mehr Mut macht ein Experiment aus Indien: Im armen Bundesstaat Madhya Pradesh erhielten ab 2011 die 6.000 Bewohner*innen von acht Dörfern 18 Monate lang ein Grundeinkommen: Das Geld – für Erwachsene im ersten Jahr umgerechnet etwa 10 Euro im Monat – war nicht existenzsichernd, sondern entsprach etwa 20 bis 30 Prozent des Monatseinkommens.

Sozialleistungen, etwa vergünstigtes Essen, wurden parallel weiterhin gewährt. Die Produktivität gegenüber einer Kontrollgruppe nahm zu, die Gesundheitsversorgung wurde besser, mehr Kinder besuchten die Schule. Viele Dorfbewohner*innen machten sich selbstständig; auch der Alkoholkonsum nahm ab.

Die kurze Dauer ist ein Manko aller bisherigen Versuche. Ändern soll das ein Feldversuch aus Kenia, der seit 2016 läuft: Dort erhalten die etwa 21.000 Bewohner*innen von 203 Dörfern über die NGO „GiveDirectly“ ein monatliches Grundeinkommen von umgerechnet 20 Euro. Ein Teil der Dörfer erhält das Geld langfristig über zwölf, ein anderer Teil über zwei Jahre; in einer dritten Gruppe von Dörfern erhalten die Menschen die Summe aus zwei Jahren Grundeinkommen auf einen Schlag.

Das Projekt ist der bisher größte und am längsten dauernde wissenschaftliche Feldversuch zum Grundeinkommen. Erste Ergebnisse werden dieses Jahr erwartet.

Die Ergebnisse aus Ländern des globalen Südens lassen sich nur eingeschränkt auf Industriestaaten übertragen: In armen Ländern wird mit einem Grundeinkommen die größte Not gemindert, Betroffene können damit über den nächsten Tag hinaus planen. Diesen Bonus haben die Menschen in entwickelten Staaten bereits über Sozialversicherungssysteme. Lotta Drügemöller