Wer Hunger hat, der soll auch frieren

Auf einem kleinen Schiff zu wohnen begründet laut Landessozialgericht für Empfänger von Sozialleistungen kein Recht, einen Ofen einzubauen, der die Gefahr einer Kohlenmonoxid-Vergiftung bannt

VonJan Zier

Ein Hartz-IV-Empfänger, der auf einem kleinen Segelboot wohnt, hat dort keinen Anspruch auf eine ordentliche Heizung für den Winter. Jedenfalls nicht, wenn die nicht schon immer da war. Das hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen entschieden (Aktenzeichen L 15 AS 96/19). Einen Petroleumofen darf man also nicht einfach auf Kosten des Amtes ersetzen, nur weil bei dessen dauerhafter Nutzung im Winter eine Kohlenmonoxid-Vergiftung droht. Dass die RichterInnen und das Jobcenter das Schiff im Grunde für „unbewohnbar“ halten, hatte im vorliegenden Fall keine Konsequenzen.

Geklagt hatte ein 61-jähriger Mann, der als Taxifahrer arbeitet, aber dabei nicht genug zum Leben verdient – und deshalb ergänzende Sozialleistungen bekommt. 2016 hatte er sich ein heute 40 Jahre altes Segelboot gekauft, auf dem er nun wohnt. Es ist keine zehn Meter lang und sollte damals 6.000 Euro kosten, Von denen hat der Mann aber nach eigenen Angaben nur die Hälfte bezahlt.

Beheizt wurde die Kajüte zunächst mit einem Petroleumofen, der aber nicht zur Dauernutzung gedacht ist, schon gar nicht, wenn das Boot nicht ausreichend belüftet ist. Die Vergiftungsgefahr sei ihm damals nicht bewusst gewesen, trug der Mann dem Jobcenter vor. Er kaufte einen Boots-Diesel-Ofen für 2.671,50 Euro. Den aber wollte das Jobcenter nicht zahlen. Dabei ist er im Unterhalt billiger als der alte Petroleumofen.

Das Sozialgericht (SG) und das Landessozialgericht (LSG) gaben der Behörde auf ganzer Linie recht. Bereits im vergangenen Jahr befand das SG, dass das Schiff nicht über eine ausreichende Ausstattung verfüge, um als Unterkunft zu dienen. Die erstmalige Installation einer ausreichenden Heizung stelle keine Instandhaltung dar, so die RichterInnen, „sondern eine deutliche Verbesserung“. Deshalb muss das Jobcenter die Kosten auch nicht übernehmen, so das Urteil (Aktenzeichen S 22 AS 1960/18).

Zwar können Hartz-IV-EmpfängerInnen „unabweisbare“ Reparaturkosten vom Jobcenter bezahlt bekommen, und zwar auch im selbst genutzten Wohneigentum. Aber nur, wenn die dort „nicht zu einer Verbesserung des Standards führen“, und auch nur in einem Haus oder einer festen Wohnung. Ein Segelboot sei eine keine Unterkunft im Sinne des Gesetzes, stellen die RichterInnen fest – ein Wohnmobil übrigens auch nicht. Auch für eine analoge Anwendung der Vorschriften sei da „kein Raum“, so das LSG.

Angesichts des Kaufpreises auf der einen und des Wertes des Segelbootes auf der anderen Seite sehen die dortigen RichterInnen im neuen Dieselofen „eine erheblich wertsteigernde Neuanschaffung“. Bezahlt werden vom Jobcenter müsse aber nur der Erhalt der Substanz und keinerlei Modernisierungsmaßnahmen. Für „die Schaffung eines neuen, verbesserten Zustandes“ biete das Gesetz keine rechtliche Grundlage, schreibt das Landessozialgericht in einer Erklärung. Offenbar auch dann nicht, wenn durch den Ersatz eines lebensgefährlichen Öfchens durch ein funktionstüchtiges aus einem „unbewohnbaren“ ein bewohnbares Boot wird.

Zwar sei für die Sozialleistungen an sich unerheblich, ob eine Unterkunft auch ordnungsrechtlich zulässig ist. Und die kann laut dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg auch ein Bauwagen oder Wohnmobil sein (Aktenzeichen B 14 AS 79/09). Also vielleicht auch ein Segelboot. Das Jobcenter in Bremen hat in der Vergangenheit die laufenden Kosten für das bewohnte Boot dementsprechend teilweise übernommen.

Maßgeblich sei aber, so die RichterInnen am LSG, die Eignung der Unterkunft „als Lebensmittelpunkt“ im Sinne des Grundgesetzes. Daran habe man „Zweifel“, so das Urteil. Zumal das Schiff möglicherweise weiterhin nicht über die Ausstattung verfüge, die ein dauerhaftes Wohnen darauf „ohne Sicherheitsrisiko“ zulässt.