Türkei tritt Zollunion mit EU-Neulingen bei

Ankara unterzeichnet Zusatzprotokoll, erkennt aber Zypern nicht an. Scharfe Kritik der türkischen Opposition

ISTANBUL taz ■ Am späten Freitagabend war es so weit: Der türkische EU-Botschafter unterzeichnete in Brüssel das Zusatzprotokoll zur Zollunion mit der EU und beendete die seit Monaten anhaltenden Spekulationen um die Ausweitung des Abkommens auf die zehn neuen EU-Mitglieder, darunter auch Zypern.

Ob dies auch eine formale Anerkennung der Republik Zypern durch die Türkei bedeutet, bleibt umstritten. Zwar veröffentlichte Ankara gleichzeitig eine Deklaration, in der die Nichtanerkennung der griechisch-zyprischen Regierung in Nikosia betont und eine Lösung der Zypernfrage gefordert wird, aber Völkerrechtler sprechen von einer De-facto-Anerkennung. So könnten Zyprer das Recht auf die Eröffnung einer diplomatischen Vertretung in Ankara vor einem europäischen Gericht einklagen.

Der türkische Regierungschef Tayyip Erdogan sprach von der „Beseitigung der letzten Hürde auf dem Weg zur Aufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen am 3. Oktober“. Damit hätte die Türkei ihre Pflichten erfüllt, sagte Außenminister Abdullah Gül.

Scharfe Kritik kam aus dem Reihen der Opposition. Deniz Baykal, Chef der sozialdemokratischen CHP, bezeichnete die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls als „historischen Fehler“, weil Ankara zugegeben hätte, „dass es südlich der Green Line auf Zypern einen legitimen Staat gibt“. Das Dokument sei in einer „Nacht-und-Nebelaktion“ unterzeichnet worden, weil Erdogan Angst vor Reaktionen hätte. Mehmt Agar, Chef der konservativen DYP, sagte, die separate Deklaration über die Nichtanerkennung der Griechen wäre „nur für die türkische Öffentlichkeit bestimmt und hätte keine Relevanz“. Die rechtsradikale MHP bezeichnete Erdogans Schritt als „Hochverrat, der nicht ungesühnt bleiben dürfe“.

Im Vorfeld der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls hatten Ankara, London und Brüssel lange miteinander verhandelt. Erdogan war selbst nach London gereist, um den britischen Premier Tony Blair für seine Deklaration zu gewinnen. Blair hatte gesagt, die Unterzeichnung des Dokuments bedeute keine offizielle Anerkennung Zyperns durch die Türkei. Kurz danach veröffentlichte er jedoch im Namen der EU eine Erklärung, in der die griechische Regierung als die „einzige legitime Vertretung Zyperns“ bezeichnet wird – eine Forderung des zyprischen Präsidenten Tassos Papadopoulos, der mit der Blockierung der EU-Beitrittsverhandlungen droht, falls die Türkei Zypern nicht völkerrechtlich anerkennt.

Die griechisch-zyprische Regierung reagierte dagegen mit Kritik: „Es ist eine traurige Entwicklung und ein Paradox, dass ein angehendes Mitglied der EU zugleich erklärt, dass es einen der Mitgliedsstaaten nicht anerkennt“, sagte Präsidentensprecher Marios Karoyian im zyprischen Fernsehen. Scharfe Kritik kam aus Griechenland. Die britische EU-Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission reagierten zurückhaltend und kündigten eine genaue Prüfung der türkischen Zusatzerklärung zur Zypernfrage an. DILEK ZAPTCIOGLU

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