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Zu viel Welt­untergang

Apokalypse in den Streaming­diensten und die Philosophie

Eugene Thacker: „Im Staub dieses Planeten". Matthes & Seitz, Berlin 2020, 250 S., 24 Euro

Von Stefan Hochgesand

Warum erwarten aber die Menschen überhaupt ein Ende der Welt? Und, wenn dieses ihnen auch eingeräumt wird, warum eben ein Ende mit Schrecken?“, fragt Immanuel Kant 1794 in seiner Abhandlung „Das Ende aller Dinge“ – als hätte er in der Corona-Quarantäne zu viel Weltuntergang bei Netflix gestreamt.

Denn es ist ja so: Storys rund um die Apokalypse oder das Ende der Menschheit, wie wir sie kannten, sind bei den Streamern äußerst gefragt: von der Zombie-Apokalypse in „The Walking Dead“ über den virusbeladenen Regen in „Rain“ bis zu den paranormalen Monstern aus der anderen Dimension in „Stranger Things“ oder dem postapokalyptischen Film „Bird Box“ der Golden-Globe-prämierten Regisseurin Susanne Bier.

Warum eigentlich haben es uns Geschichte von Pandemien, Giftwolken oder Schleimmonster so angetan? Ein Buch, das Antworten verspricht, ist „Im Staub dieses Planeten“ von Eugene Thacker. Der ist Philosoph und Professor für Medienstudien an der New Yorker New School, die man auch deshalb kennen kann, weil Hannah Arendt dort ab 1967 Professorin war. Thacker geht es, wenn er von Horror spricht, nicht um Hitchcock und Blutspritzerei, sondern um die fiktionale Darstellung von Gefahren, die eine Welt ohne Menschheit in Aussicht stellen.

„Eine Kurzgeschichte über eine amorphe, quasi-empfindungsfähige Rohölmasse, die den Planeten erobert, weist sicherlich nicht die Art von logischer Strenge auf, die man in der Philosophie eines Aristoteles und Kant findet“, schreibt Eugene Thacker korrekt – sieht in diesem Horror aber doch eine Möglichkeit, über die „Welt-ohne-uns“ zu reflektieren, die ansonsten so schwer denkbar ist, auch philosophisch. Auf Amerikanisch erschien das Buch schon 2011 (und fand Fans auch unter Serienmachern).

Die spannendsten Kapitel zeigen kulturhistorische Zusammenhänge in Büchern und Filmen auf, etwa zwischen der okkulten Detektivgeschichte und dem wissenschaftlichen Schauerroman des 19. Jahrhunderts einerseits und der Mystery-Serie „Akte X“ andererseits. Dafür lohnt sich die Lektüre wirklich. Leider ist ­Thackers Agenda aber, es nicht bei der Popkulturanalyse zu belassen, sondern diese unbedingt fruchtbar zu machen für sein verschwurbeltes und fragwürdiges Plädoyer für ein Revival der Mystik als philosophischer Disziplin.

Thackers Gewährsmänner sind Schopenhauer und Nietzsche, aber en passant auch Keiji Nishitani, den Thacker als kosmopolitischen Buddhisten verkauft. Man sollte aber wissen, dass Nishitani 1937/38 ein Auslandsstudium in Nazi-Deutschland bei dem Antisemiten Martin Heidegger absolvierte – und in Japan ab 1946 von den US-Amerikanern Lehrverbot bekam. Thacker taugt als medienwissenschaftlicher Popkulturanalytiker, aber von seinem antirationalistischen Mystikgeblubber sollte man sich fernhalten wie von einem Schleimmonster.

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