Sterbend zurückgelassen

Kranke und Tote allein in spanischen Altersheimen. Und ein bankrottes Gesundheitssystem

Aus Madrid Reiner Wandler

Der Katastrophenschutz der spanischen Armee (UME) stieß bei Desinfektionsarbeiten auf Horrorszenarien. In Altersheimen fanden sie Covid-19-erkrankte Bewohner sich selbst überlassen, einige waren bereits verstorben. Wo und wie viele genau, dazu schwieg Verteidigungsministerin Margarita Robles. Die Regierung werde aber gegen „Missstände unerbittlich vorgehen“, erklärte sie. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Vor allem in der Region Madrid starben seit Beginn der Krise Dutzende Bewohner von Altersheimen. Die meisten Einrichtungen sind seit der Finanzkrise in Hand privater, völlig fachfremder Investmentfonds. In ganz Spanien ist mittlerweile die Zahl der bestätigten Covid-19-Fälle auf 39.673 gestiegen. 2.696 Patienten sind verstorben. Die Hälfte der Infizierten und 56 Prozent der Verstorbenen sind in Madrid zu verzeichnen. Gefolgt von Katalonien und dem Baskenland. Laut Krisenstab haben sich über 5.000 Krankenhausmitarbeiter infiziert. Ein Eislaufstadion in der Hauptstadt ist zur behelfsmäßigen Leichenhalle umfunktioniert worden.

Mitarbeiter und Gewerkschaften machen immer weitere Missstände öffentlich. So sind in mehreren Krankenhäusern ganze Stockwerke geschlossen. Dies war eine der Sparmaßnahmen in der Eurokrise, die nie rückgängig gemacht wurden. Gleichzeitig hatte die konservative Regionalregierung den Bau privater Hospitäler genehmigt, die jetzt nur zögerlich Covid-19-Patienten aufnehmen.

Der Fernsehsender LaSexta zeigte am Dienstag Bilder einer stillgelegten, komplett ausgerüsteten Intensivstation im Norden Madrids. Die Chefin der Regionalregierung Isabel Díaz Ayuso schwieg zu den Vorwürfen. Stattdessen beschuldigte sie die spanische Linksregierung, nicht genug Material bereitzustellen. Diese verteilte allein am letzten Wochenende 1,6 Millionen Masken und 640.000 Schnelltests.