brief des tages
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Rechenbeispiel für die Exitstrategie

„Wo bitte geht’s zum Exit?“, taz vom 1. 4. 20

Steigerungsraten als Exitkriterium sind gefährlich. Eine Verdoppelung alle zehn Tage bedeutet 7 Prozent Neuinfektionen pro Tag, relativ zu den schon Infizierten. Eine Verdoppelung alle zehn Tage bedeutet jedoch nach fünfzig Tagen eine Erhöhung der Infektionen um den Faktor 32: von heute circa 70.000 auf mehr als zwei Millionen. Bei zwei Millionen bedeutet eine Steigerung um 7 Prozent dann 140.000 Neu­infektionen pro Tag. Ungefähr 5 Prozent davon müssen in die Intensivstation, also 7.000 neue Patienten pro Tag. Wenn wir annehmen, dass die Intensiv­behandlung zehn Tage dauert, würden wir Mitte Mai 70.000 Intensivbetten brauchen, und noch einmal zehn Tage später 140.000 Intensivbetten. Also ein schlechtes Kriterium. Besser wäre der umgekehrte Ansatz: Wie viele Insensivbetten gibt es? Wie viele Tage muss ein Intensivpatient betreut werden? Wie viele Neu­infektionen pro Tag kann das Gesundheitssystem verkraften? Aber das reine Starren auf Steigerungsraten kann schnell zu den falschen Schlüssen führen.

Thomas Damrau, Böblingen