kritik der woche
: Edle Wilde in Oldenburg

Sie verkörperten den „Edlen Wilden“ und galten einerseits als „fremd, kriegerisch, beängstigend“ und andererseits als „besonders schön“. 65 Frauen, Kinder und Männer aus Nordost-Afrika wurden bei der Oldenburger Landesausstellung vor 100 Jahren zur Schau gestellt. Mit der Ausstellung „Das Somali-Dorf in Oldenburg“ thematisiert das Landesmuseum für Natur und Mensch die Rolle von Völkerschauen vor dem Hintergrund deutscher Kolonialgeschichte. Aber nicht nur das. Sie zeigt auf anschauliche Weise wie koloniale Bilder und Strukturen bis heute fortwirken.

Mit über 150.000 Besuchern war das „Somali-Dorf“ eine der Hauptattraktionen der Landesausstellung. Viel ist es nicht, was man über die Völkerschau herausfinden konnte. Etwas über den Vorlauf und den britischen Veranstalter, Fotos und Zeitungsberichte über die Gruppe. Höhepunkt der Völkerschau war eine mehrfach aufgeführte Hochzeit. Ein Oldenburger Bürger war so beeindruckt, dass er ein Gedicht darüber verfasste. Über die ausgestellten Menschen erfährt man leider nichts.

Eine Ahnung davon, wie es ihnen ergangen sein könnte, vermittelt der sehr informative Dokumentarfilm über Völkerschauen von Tink Diaz. Viele litten unter Heimweh und dem hiesigen Klima, wurden krank, manche starben. Sie waren entwürdigenden anthropologischen Untersuchungen, den voyeuristischen Blicken und Späßen der BesucherInnen ausgesetzt. Die zur Schau gestellten Menschen und ihre Kultur wurden von der hiesigen Bevölkerung herablassend betrachtet. Völkerschau-Gruppen wurden oft bei Weltausstellungen gezeigt. „Primitive“ Lebensweisen konnten so direkt neben neuesten technischen Errungenschaften präsentiert werden – zur Aufwertung der Industriegesellschaft. Dabei war die Darstellung durch und durch von Klischees bestimmt: Farbenfrohe Postkarten und Wandbilder mit Arbeits- oder Marktszenen gaukelten eine Kolonial-Idylle vor. Das Leben dort sah jedoch anders aus: Zwangsarbeit, Hunger, Aufstände und Völkermord.

In einem Sammelheft von 1928 konnten Kinder Bilder von „sonderbaren Negertypen“ kleben. Heute hingegen – erklingt auf einer brandneuen Sandmännchen-CD das Lied „Zehn kleine Negerlein“. Und Der Sarotti-Mohr wirbt immer noch für Schokolade.

Edith Diewald

Landesmuseum für Natur und Mensch, Oldenburg. Di-Do, 9-17 Uhr, Fr 9-15 Uhr; Sa/So 10-17 Uhr. Bis 28. August